Unterbrechen! Durcheinanderbringen! Stören! –Critical Diversity Literacy als Analyse- und Interventionsverfahren für diversitätssensible Lern- und Weiterbildungskulturen
Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie mit Hilfe einer Critical Diversity Literacy gesellschaftliche Machtverhältnisse analysiert und historisch entwickelte Normalitätsordnungen und -vorstellungen dekonstruiert werden können. Das Konzept Critical Diversity Literacy versteht sich selbst als Antwort auf ein gesellschaftliches Anliegen für mehr soziale Gerechtigkeit, das nur in kollektiven Räumen zu bearbeiten ist. Mit der Arbeit an den Nahtstellen der institutionellen (An-)Ordnungen werden in Weiterbildungsateliers Strategien der Irritation vorstellbar. Eine kritisch-performative Lektürepraxis kann dazu verhelfen, machtvolle Ausschlussstrategien zu entlarven und Veränderungen in Organisationen anzustossen.
«We need feminist and antiracist critique because we need to understand how it is that the world takes shape by restricting the forms in which we gather.»
Von wo aus Diversity denken
Haben Sie sich in der Auseinandersetzung mit Diversity auch schon gewundert, auf welche Frage «Förderung von Vielfalt und Verschiedenartigkeit»1 eigentlich eine Antwort sein will? Es scheint gegenwärtig en vogue zu sein, in Organisationen vor dem Hintergrund grosser gesellschaftlicher Transformationsprozesse mit einem stärkeren ‹Management› von Vielfalt zu antworten. In dieser Optik geht es darum, Beziehungen zwischen einer Organisation und ihren ‹Anderen› optimal zu gestalten, Perspektivenvielfalt effizient zu nutzen und Konflikte zu verwalten. In der Vorstellung des ‹Management› dienen ‹Vielfalt und Verschiedenheit› dann allerdings lediglich dazu, den institutionellen Gewohnheiten ein paar bunte ‹Farbtupfer› hinzuzufügen. Im Anschluss an Sara Ahmed gehen wir davon aus, dass in dieser Managementlogik tatsächliche ‹Differenzen› in gänzlich unproduktiver Weise individualisiert werden. Zugleich werden strukturelle Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten verdeckt und Diversity als vermarktbarer Mehrwert inszeniert. Sara Ahmed spricht in diesem Zusammenhang von einem «Lächeln der Diversity», das als Tünche dient, um den strukturellen Charakter von Ausschlüssen zu dethematisieren (Ahmed, 2024, S. 7). Für Ahmed operiert der Diversity-Diskurs folglich nicht als politische Lösung für soziale Gerechtigkeit, sondern als eine Technologie, die offene Debatten über Diskriminierungen verstummen lassen kann (vgl. Boulila, 2021, S. 87).
Soziale Rechte und soziale Gerechtigkeit
Wir stellen in diesem Beitrag demgegenüber die Frage sozialer Rechte und sozialer Gerechtigkeit ins Zentrum. Die Suche nach möglichen Antworten gestaltet sich vor diesem Hintergrund etwas komplizierter. Der Topos ‹Diversity› lädt in diesem Fall zu einer kritischen, mitunter mühsamen Auseinandersetzung ein. Er zielt darauf ab, systematische und in die Organisationen eingeschriebene Ungerechtigkeiten aufzudecken und institutionelle Diskriminierung zu bearbeiten (vgl. Gomolla/Radtke, 2009). Diese Auseinandersetzung ist umso mühsamer, als die machtvollen Formen des institutionellen Ein- und Ausschlusses von als different ‹gelesenen› und markierten Bevölkerungsgruppen nahezu unsichtbar sind. Institutionelle Diskriminierung ist ein weit verbreitetes Phänomen. Auf der Entscheidungsebene ist sie allerdings schwer nachweisbar, da sie vorrangig nicht an angegebenen Intentionen, sondern eher an ihren Effekten erkennbar ist.
Die Folge sind strukturelle Benachteiligungen, z.B. die Ungleichheit von Frauen und Männern in Organisationen (von Unternehmen über Parteien und Parlament bis hin zu Universitäten etc.) insbesondere mit Blick auf die Bezahlung resp. Repräsentation in Führungspositionen. Es ist allerdings weiterhin nicht für jedermann einsichtig, dass diese Ungleichheit nicht den individuell Benachteiligten, sondern vorrangig den benachteiligenden Organisationen zugerechnet werden muss. Auf diese strukturellen Missstände mit dem «zweischneidigen Schwert der Frauenförderung» (ebd.: S. 13) zu antworten, hatte bislang noch keinen nachhaltigen Erfolg. Auch die statistisch gemessene Diskriminierung von Immigrant*innen und ihrer Kinder in allen Organisationen des Sozialstaates, beginnend im Kindergarten über Schule und Betrieb, Krankenhäuser und Polizeidienststellen bis zum Arbeitsamt, wird mit Blick auf die Ungleichheit beim Schulerfolg, der Beschäftigung und der Bezahlung hingenommen oder einvernehmlich ‹weg-erklärt›. «Wo nicht individuelles Versagen der Migranten konstatiert wird, mangelnde Integrationsbereitschaft gar, wird ihre soziale Lage oder aber ‹kulturelle Fremdheit› als Ursache benannt, oder bestenfalls darauf gesetzt, dass sich das Problem nach drei, vier Generationen wie von selbst auswachsen werde.» (ebd.)
Wer darf auf die Bühne?
Mühsam ist die Thematisierung dieser institutionellen Anordnungen deshalb, weil sie wie eine machtvoll organisierte Bühne funktionieren. In Organisationen gibt es stets Darstellerinnen und Aussenseiter, einen Zuschauerraum mit Publikum, Kulissen und ein Aussen. Figuren, die nicht zum Spiel gehören. Die Bühne wird zur Metapher institutioneller Diskriminierungen, in der weisse, männliche, cis- und heterosexuelle, der Mittelschicht angehörige, junge und befähigte, christliche Körper systematisch privilegiert sichtbar und permanent in Aktion resp. repräsentiert sind. Das Konzept einer Critical Diversity Literacy stellt dabei bewusst die gewohnte Beobachtungsperspektive um: Es interessiert sich nicht für den Anteil des ‹subjektiven Faktors› auf beiden Seiten des Diskriminierungsgeschehens, sondern für die Rolle der Organisation bei der Produktion und Legitimation einer ‹Normanordnung›, die systematisch Differenzen einführt, die einen Unterschied herstellen.2 Menschen, die dieser ‹Normanordnung› (weiss, cis- und heterosexuell, Mittelschicht, jung und befähigt, christlich) nicht entsprechen, werden als ‹Andere› und ‹Differente› markiert. Für gewöhnlich werden sieben Differenzen benannt, entlang deren sich die wesentlichen Unterschiede manifestieren sollen. Wir nennen diese auch die machtvollen Diversity-Achsen. Es sind die sog. Big Seven: Geschlecht, Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion, Klasse, Behinderung und Alter. Als sog. Diversity-Kategorien dienen sie allerdings lediglich dazu, die eingeführten Differenzen erst als gegeben und ‹natürlich› erscheinen zu lassen. Zugleich werden genau entlang dieser eingeführten Differenzachsen Unterschiede performiert, mit der sich die institutionelle ‹Mitte› der Gesellschaft stabilisiert und legitimiert.
Critical Diversity Literacy ist eine Möglichkeit, wie man den performierten Mechanismen der institutionellen Diskriminierung in Organisationen auf die Spur kommen kann. Gleichzeitig aktiviert ein grundsätzliches Befragen dieser institutionellen Anordnungen sowie ein systematisches Nachfragen entlang der Nahtstellen häufig genug auch laute Abwehrreaktionen: Wokeness!, Partikularinteressen!, Identitätspolitik! oder Cancel Culture! Hierbei handelt es sich um Ausrufe, mit denen kritische Rückfragen, die an die Akteur:innen auf der Bühne gestellt werden, ohne inhaltliche Auseinandersetzung verworfen und dabei die Anfragenden von der Bühne aus pauschal delegimitiert werden. Diese diskursive Figur wird gerne in journalistischen Feuilletons verwendet, um Proteste gegen Rassismus, Sexismus, Ableismus oder Queerphobie als hysterisch und Protestierende als hypersensibel oder aggressiv darzustellen (vgl. Boulila, 2021, S. 88).
In diesen institutionellen Anordnungen – auch in Weiterbildungseinrichtungen – fehlen unseres Erachtens nun allerdings aufgrund bestehender Machtverhältnisse wichtige Körper und ihre kollektiven Erfahrungen. Diese Stimmen und Aktivitäten gilt es, in ihrer Präzision wahrzunehmen. Sie sind von zentraler Bedeutung, um im Kontext historisch verankerter und aktuell in Organisationen wirkender Unrechtsverhältnisse Antworten auf all jene Fragen zu entwickeln, die gegenwärtig längst noch nicht gestellt sind (vgl. Ahmed, 2024, S. 89). Damit all jene als autonome Figuren auf der Bühne erscheinen können, werden radikal neue Anordnungen und Dramaturgien benötigt.
In diesem Beitrag werden hierfür erforderliche Prozesse vorgestellt, die sich als kontinuierliche Suchbewegung ohne abschliessende Antwort verstehen. Es geht hier um die Vision und konkrete Möglichkeit eines Verlernens von Privilegien und um eine Perspektive, mit der demokratische Institutionen so umgebaut werden können, dass sie zukünftig gerechter werden. Entlang des Eingangszitats von Sara Ahmed zielt eine Critical Diversity Literacy darauf, ‹Nahtstellen› zu entdecken, diese als scheinbar gegebene Begrenzungen zu verstehen und aufmerksam zu bleiben für die feinen Ungerechtigkeiten des Alltags, für die unsichtbaren Mechanismen der Macht und die Produktionsbedingungen von Ungleichheit und institutioneller Diskriminierung. Es geht darum, die Begrenzungen zu verstehen, die uns davon abhalten, eine Welt in gerechteren Formen zu denken und zu leben.
Mut, zu unterbrechen! Nahtstellen aufspüren
Von Judith Butler lernen wir (Butler, 1991, S. 26), dass nicht nur Subjekte und Identitäten, sondern auch kulturelle Praxen und institutionelle Anordnungen – kurz, die sozialen Bühnen, auf denen wir interagieren – von Herrschaft durchdrungen sind. Genauer: Sie konstituieren sich ständig in der unhintergehbaren Logik des ‹Normalen› und durch die soziale und kulturelle Produktion des ‹Anderen›, Verworfenen, Ausgeschlossenen, Differenten. Gleichzeitig weist Butler uns darauf hin, dass die Normalitätsordnung – eben gerade weil sie nicht ‹natürlich› ist, sondern immer wieder neu hergestellt und stabilisiert werden muss – stets auch fragil ist. Jede Ordnung, die als ‹Norm› angeordnet Sinn und Identifikation erzwingt, ist zum Selbsterhalt auf die Wiederholung durch jeden einzelnen von uns angewiesen (vgl. ebd.). Jede Normalitätsordnung ist damit auf Wiederholungen und – wenn auch implizite – Zustimmung angewiesen. Da die empirische Wirklichkeit zugleich viel reichhaltiger ist als jede Norm, wird jede Normalitätsordnung notwendigerweise instabil. Auf der Ebene des alltäglichen Tuns werden beständig Unfälle, Widersprüche, Brüche und Abweichungen produziert, da die empirische Realität mit Blick auf mögliche Differenzen sehr viel vielfältiger ist, als es die notwendig reduzierende Norm suggeriert. Critical Diversity Literacy versteht sich als ein Verfahren an diesen «Nahtstellen» (Laclau/Mouffe, 1991, S. 157). An diesen Nahtstellen – vorstellbar als irritierende Alltagssituationen, in denen etwas nicht ‹aufgeht› – werden Risse in hergestellten Differenz- bzw Normalitätsordnungen erkennbar. Im besten Fall lassen sich an diesen Nahtstellen UnFälle produzieren und damit die «Autorität der Norm» (ebd.) selbst angreifen. Die Entdeckung der Widerstände und Brüchigkeiten einer Normalitätsordnung setzt nun allerdings ein vertieftes Verständnis der institutionellen Anordnungen und Abläufe voraus.
Critical Diversity Literacy als Analyse- und Interventionsverfahren – im Sinne eines Unterbrechens, Durcheinanderbringens und Störens der institutionellen Normalitätsordnungen – verstehen wir als (Umbau-)Arbeit an diesen Nahtstellen. Sie ist ausgesprochen alltagsnah und kann vielfältige Formen annehmen. Die kanadische Performerin und Kulturtheoretikerin Erin Manning beschreibt, dass gerade in kleinen, scheinbar unbedeutenden Gesten, die sich in der Praxis des Alltags realisieren, plötzlich etwas geschehen kann, was unterbrechend und spekulativ wirkt. Genau hier kann etwas passieren, was die Grenzen der ‹Bühne› überschreitet und neue, nicht beabsichtigte Wirkungen mit beinhalten kann. Für Manning sind diese ‹kleinen Gesten› (‹minor gestures›) Orte der Dissonanzen und der Inszenierung von Störungen, die ihrerseits die Erfahrungshorizonte zu erweitern vermögen (vgl. Manning, 2016, S. 8). So wirkt jede kleine Geste für Manning schliesslich auch politisch: Sie schaffen jeweils Raum für neue Begegnungsmöglichkeiten und es entfalten sich unvermittelt neue und überraschende Ausdrucks- und Lebensformen, die kollektiv wirken können (ebd., S. 21). So einladend und fast euphorisch Mannings Bild der kleinen Gesten anmutet, es bedeutet nicht, dass Veränderungen jederzeit möglich wären. Im Gegenteil: Für Ernesto Laclau ist zunächst ein analytischer Einsatz entscheidend. Es gilt, alltägliche Situationen daraufhin zu prüfen, inwiefern in ihnen Potenziale zur Verfügung stehen (availability). Das Potenzial, dass in der Situation ‹etwas› geschehen kann, was in glaubwürdiger Art (credibility) zur Veränderung beitragen kann. Laclau kommt in seinen Studien zu dem Ergebnis: Je wirksamer eine Normalitätsordnung, desto tiefer müssten die Risse in die Struktur wirken, um eine Veränderung herbeizuführen (Laclau, 1990, S. 39, 66).
Critical Diversity Literacy kann zu einer Handlungsfähigkeit führen, die Störungen evozieren und Unterbrechungen herbeiführen will. Zugleich ist diese Handlungsfähigkeit nicht individualisierbar, sondern von kontingenten Umständen beeinflusst, z.B. vom Status, den die Institutionen jemandem verleiht oder entziehen kann. Wer kann sich von wo aus erlauben, ‹falsche› Fragen zu stellen und damit Unterbrechungen zu verursachen, ohne in grössere Verletzlichkeiten zu geraten? Für welche Positionierungen in den Institutionen bleiben ggf. Möglichkeiten verschlossen oder muss – falls von dort aus dennoch ein Versuch der Störung unternommen wird – mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen gerechnet werden? Critical Diversity Literacy als Vermögen zum Aufstören und Unterbrechen anerkennt die Komplexität dieses Unterfangens (unter anderem auch das Vermögen, Normalitätsordnungen ‹lesen› zu lernen, um die Risse darin zu entdecken) und baut auf die Solidarität von Kollektiven, die dank ihrer unterschiedlich verteilten Handlungsmöglichkeiten gemeinsam für die Gestaltung einer zukunftsfähigen und gerechteren Umgebung eintreten.
Critical Diversity Literacy als Analyse- und Interventionsverfahren
Der Entstehungskontext des Konzepts einer Critical Diversity Literacy liegt in Südafrikas Post-Apartheid-Bewegungen. An den Universitäten in Cape Town (University of Cape Town) und Johannesburg (University of the Witswatersrand) wurde in den vergangenen zwei Dekaden von Melissa Steyn und ihren Teams erfolgreich an der Entwicklung eines Konzepts der Versöhnung gearbeitet. Mit dem Ende der Apartheid im Jahre 1994 sah sich das Land vor die gewaltige Aufgabe gestellt, die schmerzvollen Bruchstellen der nahen Vergangenheit zu heilen und einen öffentlichen Prozess der nationalen Wiederversöhnung herbeizuführen. Auf Basis eines komplexen, spannungsreichen Verständnisses von ‹Diversität› waren in Südafrika an den Schnittstellen zwischen etablierten und noch nicht anerkannten Positionen neue Imaginationen von Verbundenheit und Gemeinschaft zwingend erforderlich (vgl. Nuttall/Michael, 2000, S.18). Um die Genese einer Post-Apartheid-Nationenbildung überhaupt denkbar werden zu lassen, wird es notwendig, Beziehungen zwischen kulturellen Ausdrucksformen verschiedener Bevölkerungsgruppen herzustellen und Grenzüberschreitungen zwischen Gemeinschaften, die jeweils über eine unterschiedliche Geschichte verfügen, neu zu entdecken.
Diese besondere historische, soziale und kulturelle Konstellation im Prozess der Post-Apartheid-Nationenbildung bildet die Hintergrundfolie für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Melissa Steyn. In Anlehnung an die Konzepte der «Critical Race Theory» (Crenshaw et. al., 1995) und «Critical Whiteness» (hooks, 1990) beleuchtet sie Kontext und Geschichte in Südafrika perspektivisch und setzt sich theoretisch mit den Routinen des ‹aktiven Vergessens der Anderen› zur Sicherung der eigenen Privilegien auseinander. Sie analysiert eine «epistemology of ignorance» (vgl. Mills, 1997, S.18) und analysiert diese «belohnte Ignoranz» als strukturell verankerte politische Position und als eine perpetuierte Uninformiertheit, die keine Peinlichkeit auslöst, weil auf ihrer Grundlage die eigene Vormachtstellung behauptet wird (vgl. Steyn, 2012, S.10).
Melissa Steyn entwirft Critical Diversity Literacy als Analysefolie oder ‹Lesebrille› entlang von zehn Kriterien. Sie entwickelt diese Kriterien, um einen analytischen Aufschluss der Zusammenhänge von Machtverhältnissen, Positionierungen, Intersektionalität, historischer Gegenwärtigkeit, sozialer Identitäten, Sprache, Dekodierfähigkeit, materiellen Anordnungen, Emotionen, Engagements zu ermöglichen (vgl. Steyn/Dankwa, 2021, S. 43; Steyn, 2015). In einem kollektiven Prozess zielt Steyn darauf ab, Menschen zu befähigen, ihre sozialen Umgebungen dekodierend ‹lesen› zu lernen. In ihrem Text wird nicht nur ein kritisches Reflektieren impulsiert, sondern auch die Einladung formuliert, im Kollektiv Räume zu schaffen, die eine Imagination neuer sozialer Realitäten ermöglichen (ebd.).
Mit Critical Diversity Literacy geraten Normalitätsordnungen bzw. ihre Logik von Differenzen in den Blick, die Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen produzieren. Die Handlungsorientierung des Konzepts zielt ab auf die Befähigung zur Entwicklung kritischer diversitätsorientierter Lesarten, um innerhalb gesellschaftlicher Normalitätsordnungen Ein- und Ausschlüsse sowie Diskriminierungs- und Unterdrückungsmechanismen aufspüren und Antwortmöglichkeiten entwickeln zu können. Insgesamt visiert die kollektive Bildungspraxis ein (politisches) Engagement für die Zerstreuung und Transformation der diesen Strukturen zugrundeliegenden Orientierungen im Sinne der Entwicklung einer gerechteren sozialen Wirklichkeit an.
Critical Diversity Literacy bezeichnet eine kritisch-performative kollektive Lektürepraxis, mit der die Nahtstellen im Gewebe sorgsam aufgespürt werden. An diesen Nahtstellen gilt es, die Struktur zu entschlüsseln und zu beschreiben, die offenbart, dass Menschen mit bestimmten Merkmalen sich mehr als andere in Institutionen zu Hause fühlen können. Diese Nahtstelle hat stets eine lange Geschichte und sie verschleiert ihre eigene Herkunft. Dass es sich tatsächlich um eine produzierte Nahtstelle handelt (und nicht um ein ‹natürliches› oder ‹vernünftiges› Recht), bleibt für all jene unsichtbar, die sich durch Räume bewegen können, die von Institutionen scheinbar für sie geschaffen wurden.3 Die Nahtstelle wird gleichzeitig zu einer soliden und spürbaren Wand für all jene, deren Bewegungsmöglichkeiten durch sie eingeschränkt bleiben. Sara Ahmed führt die Metapher der Wand ein, um die Besonderheit der Nahtstelle zu betonen, die sich gegen jede Veränderung sperrt. Die Erfahrungen an den Nahtstellen wahrzunehmen, heisst auch, die Emotionen von Frustrationen, Wut und Enttäuschung ernst zu nehmen, die hier entstehen können, und produktiv und verantwortungsvoll mit ihnen zu arbeiten – um den Rissen an der Naht auf die Spur kommen.
Critical Diversity Literacy als Analyse- und Interventionsverfahren leistet in unseren Augen einen fundierten Beitrag dazu, Nahtstellen aufzuspüren und zu bearbeiten. Die Bearbeitung von Differenzen folgt hierbei dem Anspruch auf strukturelle Veränderungen. Diversity wird zum Ausgangspunkt, eigene und kollektive Wahrnehmungen, Privilegien und Positionierungen zu hinterfragen. Im Umgang mit Differenzen sind Machtverhältnisse anzusprechen. Wer kann welche Position besetzen, wer kann wo sprechen und wer wird gehört? Wer bleibt aussen vor, wer schweigt und wer wird nicht gehört? Critical Diversity Literacy lässt sich am ehesten als Diversitäts-Literalität übersetzen. Sie bildet die Grundlage einer kritisch-performativen Lektürepraxis zu Fragen von Diversität, die in diesem Beitrag skizziert werden soll (vgl. Klingovsky/Pfruender, 2017; 2021).
Critical Diversity Literacy als kollektive Bildungspraxis
In unserem internationalen Forschungs- und Entwicklungsprojekt «Critical Diversity Literacy arts and further education»4 konnten wir gemeinsam in einem exzellenten Team renommierter Forscher*innen in kollektiven Werkstatträumen mit Tools, Praktiken und Methoden experimentieren, unterschiedliche Arrangements erproben sowie die beobachtbaren Entwicklungsprozesse evaluieren. Die konstellierten Weiterbildungsarrangements, die sogenannten Ateliers, basieren auf der didaktisch-methodischen Entwicklungslogik des selbstsorgenden Lernens (vgl. Klingovsky/Kossack, 2007; 2010) und sind durch kulturelle Praxen und ästhetische Kunstproduktionen informiert und inspiriert (vgl. Klingovsky/Pfruender, 2017; 2021). Sie evozieren performative Suchbewegungen, die sich als Arbeit an den Nahtstellen verstehen und individuelle Verstehensprozesse sowie kollektive Umbauarbeiten ermöglichen. Die Suchbewegungen entstehen in Situationen, in denen ästhetische Zugänge eine zentrale Rolle spielen. Leitfiguren wie bell hooks, Sara Ahmed, Toni Morrison, Audre Lorde oder Stuart Hall prägen inhaltliche Positionen und Zugänge zu Themen, die wir mit Stimmen von weiteren Wissensträger*innen mehrperspektivisch und chorisch verweben.5 Mit diesen inhaltlichen Perspektiven fragen wir im Prozess didaktisch-methodischer Transformation systematisch: Welche Szenografie braucht es für eine produktive Gesprächsrunde? Welche Choreographie soll darin mit den Teilnehmenden entwickelt werden? Wie verläuft eine Dramaturgie, die ein Atelier vom Eintritt der Teilnehmenden bis zur Verabschiedung rhythmisiert? Dieser für Teilnehmende der Ateliers unsichtbare vorbereitende und forschende Teil lebt davon, dass sämtliche Ideen im Kollektiv entwickelt, befragt, verworfen und neu konstelliert werden (vgl. Klingovsky/Pfruender, 2017). Die folgenden vier Prinzipien, die aus der konkretisierenden Arbeit mit Critical Diversity Literacy gewonnen wurden, leiten die Bildungsarbeit. Sie sind bedeutsam für die Entwicklung von Werkstatträumen als Ateliers, in denen auf der Grundlage einer Critical Diversity Literacy institutionelle und organisationale Anordnungen an ihren Nahtstellen umgebaut werden.
1. Machtvolle Ein- und Ausschlüsse und intersektionale Diskriminierung stets auf drei Ebenen analysieren und bearbeiten
Machtvolle Ein- und Ausschlüsse in Bildungsorganisationen lassen sich stets auf drei lernkulturellen Ebenen analysieren und bearbeiten: Mit Blick auf die Mikro-Ebene von Institutionen sprechen wir von konkreten Interaktionen in Lehr- und Lernsituationen und ihren Ausschlüssen, sowohl auf inhaltlicher Ebene (worum geht es hier?) als auch auf sozialer Ebene (wer partizipiert mit welchen Ressourcen?). Auf der Meso-Ebene geht es um die Frage von Programmen, Regelwerken und konkreten Mechanismen bzw. Tools; es geht um Fragen des Raums resp. der Kommunikation und um die Frage, wie inklusiv und diskriminierungsfrei gelehrt und gelernt wird. Auf der Makro-Ebene geraten Diskurse und Organisationslogiken von Institutionen in den Fokus sowie Fragen der Zugänglichkeit zur Institution: Wer ist überhaupt da und wer in welcher Hierarchie-Ebene?6
Im Kontext von Disability Studies zeigt das Beispiel von Hochschulen ein komplexes Bündel von Ver-Hinderungen, so z.B., wenn Zugänge zur Institution durch Architektur und Bauweise verunmöglicht (nur Treppen zum Eingang) oder mindestens erschwert werden. Oder wenn Programme und Studiengänge so angelegt sind, dass sie ohne Vollzeitstudium nicht realisierbar sind. Schliesslich wird das Bildungs- resp. Weiterbildungsgeschehen medial so konzipiert, dass gewisse Menschen nicht teilnehmen (hören oder sehen) können. Im Bewusstsein um die Verwobenheit der institutionellen Anordnungen auf der Mikro-, Meso- und Makro-Ebene und der intersektionalen Ungerechtigkeiten gilt es, analytisch scharfsinnig von mehreren Perspektiven aus Nahtstellen aufzuspüren, um diese zu bearbeiten und neue kollektive Imaginationen einer inklusiveren und gerechteren Institution zu entwerfen. Für uns sind diese drei lernkulturellen Ebenen der zentrale Gegenstand einer systematischen Analyse, denn tatsächliche Veränderungen in Bildungsorganisationen lassen sich nur im Bewusstsein um ihre Verwobenheit nachhaltig gestalten.
2. Never about us without us
Wer wiederholt Situationen von Ausschlüssen und Zurückweisungen aufgrund von Hautfarbe, sexueller, neurodiverser, religiöser Ausrichtung oder weiterer Merkmale, die das weisse Patriarchat als ‹different› markiert, am eigenen Körper erfährt, eignet sich ein Wissen an, das in dieser ‹Besonderung› auch offenbart, wie Normalitätsordnungen ihre Ausgrenzungen organisieren. Diese Erfahrungen sind immer auch in ihren emotionalen Dimensionen zu lesen, sie hinterlassen Spuren, die nicht nur für ein Individuum, sondern, in einem grösseren Resonanzraum, für uns alle bedeutsam sind. In diesen Verletzungen wird ein Unrecht erkennbar, das uns alle in unserer Menschlichkeit beschränkt. Mit dem Prinzip ‹never about us without us› sind ‹wir› auf ein solidarisches Kollektiv verwiesen, das erlebte Ausgrenzungs- und Differenzierungserfahrungen als ein gemeinsames Wissen zusammenbringt, es sichtbar machen will und in einer Vertretung nach aussen auch politisch aktiv werden kann. Nicht über Diversity sprechen, sondern mit diesen Wissensträger*innen in Austausch zu treten heisst, einen Raum für unbeantwortete Fragen zu eröffnen. Im Zentrum dieser kollektiven Ausschlüsse entstehen Möglichkeiten für Kontaktzonen, in denen unterschiedliches Wissen geteilt und produktiv werden kann. Kontaktzonen sind Formen kollektiv erstellter Räume, in denen unterschiedliche soziale und kulturelle Positionen aufeinandertreffen und eine räumliche Ordnung unter gegebenen Machtverhältnissen performativ immer wieder neu hervorgebracht werden kann (Pratt, 1996, S. 6ff.). Kontaktzonen sind notwendigerweise auch Orte der Verunsicherung.
Um diese Orte der Verunsicherung entstehen zu lassen, in denen noch keine Antworten gegeben sind, sollen bereits in die Vorbereitung von Weiterbildungsateliers Menschen/Kollektive mit dem je spezifischen Wissen einbezogen werden. Die Gestaltung von Kontaktzonen erfordert auch ein vertieftes Nachdenken über die ethischen Voraussetzungen und die ästhetische Beschaffenheit des Raumes, in dem ein Austausch gelingen kann. Es muss Safe Space sein, in dem keine Re-Traumatisierungen zu befürchten sind, wo jedoch Verletzlichkeiten erscheinen dürfen und in einen Prozess der Verhandlung kommen können. ‹Never about us without us› gilt dabei als ein Imperativ für die Entwicklung und Realisierung von Weiterbildung in Organisationen resp. organisationale Lernprozesse: Veranstaltungen im Bereich von Diversity sollen erst dann angeboten werden, wenn Co-Akteur*innen aus der Organisation in die inhaltliche Vorarbeit und die Gestaltung ebenso eingebunden sind wie die spezifischen Wissensträger*innen.
3. Verlernen als eine Arbeit im Kollektiv
Die sorgend-sorgfältige Begegnung mit Critical Diversity Literacy zielt auf eine Bewegung des ‹Verlernens› ab, die mit Gayatri Spivak (1996, S. 4) als ein kritisches Hinterfragen der eigenen Privilegien zu verstehen ist. Dem Konzept des Verlernens ist nicht nur die Aufforderung zu schweigen inhärent, wenn das ‹Andere› sich ausdrückt, selbst wenn oder gerade weil dieser Ausdruck die Gefahr des Verlustes der eigenen Privilegien in sich birgt. Darüber hinaus fordert das Konzept dazu auf, all jene Formen des Wissens zu lernen, die durch die eigene privilegierte Position bislang nicht zugänglich sind. Die Praxis des Un-learning zielt zum einen darauf ab, «unsere Privilegien des Sprechens und Gehört-werdens zu verlernen» (Castro Varela/Dhawan, 2003, S. 279), zum anderen darauf, «eine Auseinandersetzung mit dem langsamen – manchmal mühsamen und schmerzhaften, manchmal aufregend-lustvollen – Prozess der Überschreitung und des Abarbeitens der antrainierten Sicherheiten, die die Machtverhältnisse tradieren, zu wagen» (Sternfeld, 2014, S. 19). Un-learning wird in diesem Sinne als eine Art Übung verstanden, um langsam und Schritt für Schritt mit den angelernten Praxen und Gewohnheiten der machtvollen Unterscheidungen zwischen ‹Eigenem› und ‹Anderen›, die sich in Habitus, Körper und Handlungen eingeschrieben haben, zu brechen und zu einer «ästhetischen Haltung»7 zu gelangen.
Auch dieses dritte Prinzip kann nur im Kollektiv gelingen. Das Verlernen der eigenen Privilegien gelingt nur in kollektiven Kontexten, in denen die Heterogenität der Teilnehmenden als Gelingensbedingung anerkannt wird. Die Bewegung eines Verlernens von Privilegien heisst deshalb auch, Bedingungen zu schaffen, in denen wir Hindernisse erkennen, benennen und unser eigenes Verstricktsein darin untersuchen.
4. Erzählungen eine Bühne schaffen
Es ist von Bedeutung, die eigene soziale Positionierung in der Organisation, in der Gesellschaft zu erkennen und zu benennen. Auf unseren gesellschaftlichen Bühnen organisieren sich Positionierungen und Rollen, die scheinbar unbefragt gespielt werden. Anhand konkreter Fallbeispiele und in der Rekonstruktion erlebter Situationen können verunsichernde Situationen im Kontext von Differenz und Diversität konkret und anschaulich werden. Wir bezeichnen diese methodische Variante als ‹Erzählen von Geschichte›. Hier wird, ausgehend von eigenen, erlebten Situationen, eine Umgebung geschaffen, in der ‹Geschichten› von einem konkreten Einzelfall hin zu grösseren Kontexten gelesen werden. In diesen Geschichten werden Momente lebendig, die oft Verletzungen und Irritationen beinhalten, die irgendwie noch weiternagen und -wirken. Erst im genauen Hinhören lässt sich verstehen, in welchen Kontexten, mit welchem Rollenbewusstsein und von welchen internalisierten sozialen und kulturellen Normalitätsordnungen aus erzählt wird.
Ausgehend von ‹Geschichten› können Strategien des Dezentrierens entwickelt werden. ‹Geschichten› eine Bühne geben heisst auch, in eine kollektive Emotion zu treten, bestimmte Situationen und spezifische Orte so nahe nachvollziehen zu können, dass deren Verhältnis zur sozialen Macht sozusagen körperlich wirkt (vgl. Haraway, 1996, S.15).
Die Ateliers werden so zu Orten, an denen ein aufmerksames Zuhören ein ebenso aufmerksames wie sorgfältiges Sprechen begleitet und in denen ‹Geschichten› wiederum ein Nachdenken auslösen, das vom Eigenen hin zur Arbeitsumgebung und der Institution führen kann. Geschichten eine Bühne zu schaffen, heisst auch, eine ästhetische Rahmung zu finden, die einlädt zum Hinhören, Teilen und Imaginieren. Weiterbildungsarrangements als ästhetische Räume zu konstellieren, bedeutet, den Teilnehmenden – unter Nutzung vielfältiger symbolischer und ästhetischer Formen – ‹Ortsveränderungen› zu ermöglichen und die eigenen sozialen Einbindungen zu verlassen.
Konklusion
Wir hoffen, dass wir Sie auf diesem Streifzug durch die Landschaften der Diversität hin zur Konkretisierung in Weiterbildungsateliers inspirieren können. Die ernüchternde Botschaft ist: Es gibt kein Rezept, das zur Verfügung gestellt werden kann, sondern lediglich die Einladung, sich auf einen Prozess einzulassen, in dem das ‹Eigene› und ein Verständnis des ‹Anderen› in einer kollektiven Lesepraxis irritierend befragt werden sollen. Dabei gilt es, ein Vokabular zu entwickeln, das die Diskussion über Privilegien und Diskriminierung in Institutionen und Unternehmen ermöglicht. Die Lernaufgabe besteht darin, hegemoniale Praktiken in konkreten Alltagssituationen zu analysieren, zu übersetzen und zu re-interpretieren. Dies meint auch, institutionalisierte und hierarchisierte Diskriminierungsmechanismen zu erkennen und ein tiefgreifendes analytisches Verständnis für die diskriminierenden Effekte des sozialen Kontextes und der darin vorfindlichen materiellen Arrangements zu entwickeln.
Critical Diversity Literacy kann in Bildungs- und Weiterbildungskontexten bedeuten, Zugänge zu Ressourcen, Ausbildung, Karriere und Netzwerken genau zu analysieren und sie auf ihre problematischen Auslassungen hin zu befragen. Die Aufforderung zum Unterbrechen, Durcheinanderbringen und Stören steht hier als eine Ermächtigungsstrategie. Sie verursacht Verunsicherungen, die von Institutionen zumeist als unliebsame Verursachung von Komplikationen wahrgenommen wird. Es ist die Ermächtigung, etwas in den Weg zu stellen und zu verhindern, dass alles so weiterfliesst wie immer. Sara Ahmed versteht dies als eine Einladung an alle Akteur*innen: «We might need to be the cause of obstruction. We might need to get in the way if we are to get anywhere. We might need to become blockage points by pointing out the blockage points.» (Ahmed, 2012, S.186)
Literatur
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Sternfeld, Nora (2013): Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung: Transnationales Lernen über den Holocaust in der postnazistischen Migrationsgesellschaft. Wien: Zaglossus.
Sternfeld, Nora (2014): Verlernen Vermitteln. Kunstpädagogische Positionen. Band 30. Hamburg: Repro Lüdke.
Steyn, Melissa (2012): The ignorance contract: recollections of apartheid childhoods and the construction of epistemologies of ignorance. In: Identities: Global Studies in Culture and Power, 19:1, S. 8–25. Online verfügbar: http://dx.doi.org/10.1080/1070289X.2012.672840
Steyn, Melissa (2015): Critical diversity literacy: essentials for the twenty-first century. In: Vertovec, Steven (Hrsg.): Routledge International Handbook of Diversity Studies. London/New York: Routledge, S. 379–389.
Steyn, Melissa, & Dankwa, Serena O. (2021): Revisiting Critical Diversity Literacy. Grundlagen für das einundzwanzigste Jahrhundert. In: Serena O. Dankwa, Sarah-Mee Filep, Ulla Klingovsky, Georges Pfruender (Hrsg.): Bildung.Macht.Diversität. Bielefeld: Transcript Verlag, S. 39–58.
- Häufig wird Diversity in der Schweiz schlicht mit der Förderung von «Vielfalt und Verschiedenheit» übersetzt (vgl. z.B. https://www.diversityreport.ch/wp-content/uploads/2021/06/3.-Juni-2021-Diversity_Report_CH_2021_GetDiversity.pdf)
- So pflegt man den Unterschied zwischen einem Obdachlosen und einem Bankangestellten oder denjenigen zwischen einer Nonne und einer Spitzenmanagerin gewöhnlich nicht als kulturell bedeutsame Differenz zu etikettieren.
- The wall is what we come up against: the sedimentation of history into a barrier that is solid and tangible in the present, a barrier to change as well as to the mobility of some, a barrier that remains invisible to those who can flow into the spaces created by the institutions. (175)
- Mehr zu diesem Gesamtprojekt auf www.critical-diversity-literacy.ch
- Zentrale Erkenntnisse zu dieser Bildungspraxis finden sich in unserer Publikation Bildung.Macht.Diversität: Critical Diversity Literacy im Hochschulraum (Dankwa et. al., 2021).
- Wie ausgrenzend Institutionen sich organisieren, zeigt eine Blickverschiebung vom Tag in die Nacht: Die meisten Bildungsinstitutionen und Unternehmen sind empirisch nie so divers wie zwischen 20 Uhr am Abend und 5 Uhr am Morgen. Das ist in der Regel dann, wenn das Reinigungspersonal hier seiner Arbeit nachgeht.
- Diese «ästhetische Haltung» beinhaltet das selbstreflexive Hinterfragen, die Intuition und die Sympathie als eine Voraussetzung und Ermöglichung, um neue Formen der Wahrnehmung, der Verantwortung, der Erfahrung, des Kollektiven und neuer Relationierungen mit einem Lebensumfeld zu entdecken. (Manning, 2016, 56)