23.11.2021
N°2 2021

Strukturelle Veränderungen und Herausforderungen für Erwachsenenbildungseinrichtungen – Implikationen für die Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals

Um ihre Organisation und die Fortführung ihrer pädagogischen Leistungserbringung zu sichern, benötigen die Erwachsenenbildungseinrichtungen entsprechende Anerkennung in der und durch die relevante Umwelt. Entsprechend sind sie gehalten, sich auf die in ihrer Umwelt bestehenden Erwartungen und Anforderungen einzustellen. Der Beitrag zeigt ansatzweise die Vielfalt an strukturellen Herausforderungen für die Einrichtungen auf und spricht damit einhergehende Konsequenzen für Organisationsstrukturen, Managementorientierungen und das pädagogische Personal an. Abschliessend werden einige Bezugspunkte für eine zukunftsorientierte Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals vorgestellt.

Einführung

Es ist heute selbstverständlich, davon auszugehen, dass die Umwelt einen bedeutenden Einfluss auf Erwachsenenbildungseinrichtungen hat, d.h. auf die Ausprägung des Leistungsangebots und der organisatorischen Strukturen und Prozesse, die die pädagogische Leistungserbringung in den Einrichtungen konditionieren. Denn um ihre Organisation und die Fortführung ihrer pädagogischen Leistungserbringung zu sichern, benötigen die Einrichtungen Ressourcen und Legitimation. Beides zu erhalten, ist nur möglich, wenn die Einrichtungen die entsprechende Anerkennung in der und durch die relevante Umwelt erfahren (vgl. Schrader 2014). Entsprechend sind Erwachsenenbildungseinrichtungen gehalten, in ihrem Leistungsangebot, ihren Geschäftsmodellen und in ihrer Organisationsgestaltung zu zeigen, dass sie sich auf die in ihrer einflussreichen Umwelt bestehenden, zumeist durch Akteure vermittelten Erwartungen und Anforderungen einstellen. Zugleich wird von den Einrichtungen erwartet, dass sie gegenüber ihrer Umwelt eine Akteursrolle einnehmen, d.h. ihre «verantwortliche Handlungsträgerschaft» (Meier 2009) wahrnehmen und zur Geltung bringen. Dies meint zum einen, dass sich Erwachsenenbildungseinrichtungen für die pädagogisch-professionelle Entwicklung und Durchführung von Bildungsangeboten sowie für die Ermöglichung gelingender Lernprozesse Erwachsener einsetzen. Zum anderen beinhaltet dies die aktive Mitgestaltung von zukunftsweisenden Veränderungs- und Entwicklungsprozessen in der relevanten Umwelt mit den Möglichkeiten und Mitteln der Erwachsenenbildung.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Erwachsenenbildungseinrichtungen – dies auch im Zusammenhang mit der Implementierung von umfassenden Qualitätsmanagementsystemen (vgl. Käpplinger und Reuter 2017) – «gelernt», ihr Verhältnis zur Umwelt unter einer Managementperspektive zu erfassen, d.h. systematisch im Hinblick auf eine kontinuierliche Anpassung sowie strategisch mit Blick auf die Erweiterung und Erschliessung von Handlungs- und Entwicklungschancen (vgl. Schneider et al. 2007). Seit einiger Zeit jedoch scheint sich in der Praxis die Erfahrung zu festigen, dass diese Bearbeitungsform der Veränderungs- und Innovationsdynamik in der relevanten Umwelt und den damit verbundenen Handlungsanforderungen in den Einrichtungen immer weniger gerecht werden kann. So belegen (bislang vereinzelte) Erfahrungen aus der Praxis, dass etwa auch die aufwändigen Vorgehensweisen im Rahmen des Qualitätsmanagements zunehmend mit den Handlungs- und Entscheidungsimperativen der laufenden Praxis in Erwachsenenbildungseinrichtungen kollidieren (vgl. Ehses 2016).

Vor diesem Hintergrund befasst sich der vorliegende Beitrag zunächst in überblicksartiger und zusammenfassender Form mit den Fragen, auf welche strukturellen Veränderungen in der relevanten Umwelt sich Erwachsenenbildungseinrichtungen heute einstellen und auf welche Herausforderungen hin sie ihre Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit sicherstellen müssen. Daran anschliessend wird der Fokus auf damit verbundene Implikationen für die gegenwärtige und zukünftige Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals gerichtet.

1. Strukturelle Veränderungen und Herausforderungen

Im Folgenden richtet sich die Aufmerksamkeit auf einige strukturelle Veränderungen in der relevanten Umwelt von Erwachsenenbildungseinrichtungen sowie auf damit einhergehende Herausforderungen.[1] Unter strukturellen Veränderungen werden hier solche Veränderungen gefasst, die auf übergreifende Entwicklungen und Transformationen verweisen und in deren Verlauf die Bedingungen zur Fortführung der pädagogischen Leistungserbringung in und von Erwachsenenbildungseinrichtungen verschoben werden. Im Folgenden werden einige solcher strukturellen Veränderungen angesprochen, die seit einigen Jahren besondere Herausforderungen für Erwachsenenbildungseinrichtungen bergen.

Governance-Strukturen:

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich die Steuerungsbedingungen von Erwachsenenbildungseinrichtungen deutlich verändert. Neben den Staat (bzw. die Bundesländer und Kommunen bzw. in der Schweiz Bund und Kantone) und die öffentliche Verwaltung auf der einen und den Markt bzw. die Nachfrage auf der anderen Seite sind weitere, institutionelle Reglemente und Akteure getreten, die für die Ressourcensicherung und den Legitimitätserhalt der Einrichtungen relevant sind. Dazu zählen insbesondere nichtstaatliche (Qualitäts-)Zertifizierungs- und Akkreditierungsagenturen mit ihren jeweiligen Evaluations- und Begutachtungssystematiken. Ebenso sind verschiedene Fördermittelgeber (z.B. die EU, Ministerien, Stiftungen usw.) sowie wettbewerbliche Verfahren und zu erfüllende Gütekriterien bei der Mittelvergabe wichtiger geworden. Zudem hat die EU selbst einen Bedeutungszuwachs hinsichtlich der Formulierung von Entwicklungszielen (Benchmarks) und Standards in der Erwachsenenbildungsarbeit erfahren. Viele Träger (z.B. Kirchen, Vereine, Unternehmen) haben aufgrund eigener Profilbildungen auch ihre Ansprüche an die Gestaltung des Leistungsangebots von Erwachsenenbildungseinrichtungen expliziter gemacht. Zudem ist die Arbeit von Fach- und Berufsverbänden wie auch wissenschaftlichen Instituten für die Erwachsenenbildung weiter professionalisiert worden, womit auch die Verfügbarkeit von Handlungsempfehlungen für eine «gute Praxis» in der Erwachsenenbildung gestiegen ist. Nicht zuletzt sind Kunden und Teilnehmende hinsichtlich der Berücksichtigung ihrer Bildungsinteressen und Lernbedürfnisse anspruchsvoller und qualitätsbewusster geworden.

Die Liste liesse sich leicht fortführen. Insgesamt haben sich die Steuerungsbedingungen dahingehend weiter verändert, dass die Einrichtungen gehalten sind, ihre «Eigenverantwortung» und ihre Akteursrolle stärker wahrzunehmen – dies jedoch, wie gezeigt, bei gleichzeitiger Einbindung der Einrichtungen in Akteurskonstellationen, Netzwerkstrukturen und Kooperationsbeziehungen insbesondere mit Partnern aus anderen Bildungsbereichen und anderen institutionellen Bereichen (der Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheit, Kultur, Zivilgesellschaft usw.). Für die Einrichtungen bedeutet dies vor allem, dass sie gehalten sind, ihr Leistungsangebot sowie ihre internen Strukturen und Prozesse deutlicher als zuvor unter Gesichtspunkten des Umgangs mit unterschiedlichen Steuerungsakteuren, -formen und -medien zu gestalten und zu entwickeln. Dazu gehört auch das  Bearbeiten von bedeutsamer werdenden Interdependenzen mit unterschiedlichen sowie wechselnden Akteuren in ihrer relevanten Umwelt.

Ressourcen:

Ressourcenprobleme sind in Erwachsenenbildungseinrichtungen nicht neu. Allerdings geht es dabei heute nicht mehr nur um Knappheit oder um einen Mangel an Ressourcen. Mit Blick auf die finanziellen Ressourcen fällt heute vor allem die grössere Abhängigkeit der Einrichtungen von schwankenden Einnahmen, z.B. aus Teilnahmebeiträgen, aus inhaltlich gebundenen Projektmitteln, aus öffentlichen wie privaten Aufträgen, aus Mitteln für besondere Massnahmen oder Bildungsaufgaben usw. in den Blick. Die Einrichtungen müssen diese Schwankungen abfedern bzw. ihr Finanzmanagement und ihre Planung so gestalten, dass auch bei veränderlichen Finanzierungsbedingungen ein zielgerichtetes Handeln ermöglicht wird (vgl. Meisel 2019). Mit Blick auf die Wissensressourcen wird es wichtiger, ihre eigenen Entwicklungspotenziale besser zu nutzen, so etwa durch die (Weiter-)Nutzung von Professionalisierungseffekten der Projektarbeit sowie von Projektprodukten bzw. Teilen davon in der «regulären» Programmgestaltung. Dies erfordert vor allem die Entwicklung der internen Kooperation zwischen «Projektmitarbeitenden» und «institutionellen» Mitarbeitenden. Zudem hat sich die Personalsituation in den Einrichtungen seit einigen Jahren deutlich verändert – dies im Zuge des «Generationswechsels» vor allem auf der Leitungsebene (vgl. Alke 2017) sowie angesichts von deutlicher werdenden Engpässen auf dem Lehrkräftemarkt (Martin und Schömann 2015). Für die Einrichtungen bedeutet dies, dass bei der Personalrekrutierung und -bindung insbesondere die Erwartungen von jüngeren Mitarbeitenden an die Arbeitssituation und kulturelle Passung mit dem Arbeitgeber beachtet werden müssen (vgl. Ehses 2015). Ebenso wird es wichtiger, Anreizstrukturen für Lehrkräfte zu schaffen, auch wenn die finanziellen Möglichkeiten dazu meist eng begrenzt sind. Aber auch Professionalisierungsangebote und die Entwicklung von Netzwerken für gute Lehre («communities of practice») können hier Anreize bieten. Nicht zuletzt werden vielfach die räumlichen und technisch-infrastrukturellen Ausstattungsstrukturen zum Entwicklungshemmnis, weil sie keine kundenorientierte und erwachsenenpädagogisch informierte, ansprechende und moderne Ausgestaltung erlauben. Hier wird es zur Aufgabe, das Ressourcenmanagement, Infrastruktur- und IT-Abteilungen stärker in die Planungsprozesse der Einrichtungen einzubeziehen sowie auch Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich zu stärken.

Digitalisierung:

Sicher haben Erwachsenenbildungseinrichtungen schon vor vielen Jahren mit den Einsatzmöglichkeiten von digitalen Medien experimentiert und Medien in Teilen des Leistungsangebots auch systematisch eingesetzt (vgl. Thiedeke 2003). Doch ist in den meisten Erwachsenenbildungseinrichtungen die Digitalisierung erst vor einigen Jahren als notwendige Antwort auf den digitalen Wandel der Arbeits- und Lebenswelt aufgegriffen worden – dies wiederum vielfach als «Zukunftsthema» und eher als langfristiges Entwicklungsziel. Die zu Beginn 2020 ausgebrochene Coronapandemie sowie damit verbundene Lockdowns haben die Situation grundlegend verändert. Um ihre wirtschaftliche Existenz und Anbieterposition – bei insgesamt grossen Verlusten – zu sichern, mussten die Einrichtungen kurzfristig auf digitale Angebote, virtuellen bzw. «hybriden» Unterricht sowie auf mobiles Arbeiten und digital vernetzte Formen der Zusammenarbeit umschwenken (vgl. Christ et al. 2021, Poopallapilai et al. 2021). Es ist davon auszugehen, dass auch nach dem Abklingen der Pandemie digitale Angebote und Formen des virtuellen bzw. hybriden Unterrichts im Leistungsangebot von Erwachsenenbildungseinrichtungen verbleiben oder sogar weiter ausgebaut werden (müssen). Für die Einrichtungen ergibt sich hier die Möglichkeit und Herausforderung, Präsenzformate und digitale Formate in ihrem Leistungsangebot zu balancieren und ihre organisatorischen Strukturen und Prozesse der Leistungserbringung daraufhin weiterzuentwickeln.

Diversität:

Zwar kursiert das Diversitätsthema sowohl im gesellschaftlichen Umfeld als auch in Erwachsenenbildungseinrichtungen seit langem. Doch hat es infolge der rapide gestiegenen Fluchtmigration nach Europa im Herbst 2015 erneut und womöglich tiefgreifender als zuvor an Bedeutung gewonnen. Denn die Einrichtungen haben sich nicht nur kurzfristig, unter hohem Druck und Regelunsicherheit, auf eine abrupte Steigerung des Bedarfs an Sprach- und Integrationskursen, einschliesslich von Kompetenzdiagnosen und weiteren integrationsfördernden pädagogischen Unterstützungsangeboten einstellen müssen. Vielfach musste auch die Erfahrung gemacht werden, dass man in den Einrichtungen auf die Bildungsarbeit mit Geflüchteten zumal aus bis dahin wenig bekannten Herkunftsländern und -kulturen kaum vorbereitet war. Nicht nur, doch auch aus diesen Erfahrungen heraus und mit Blick auf zukünftige Migrationsbewegungen ergibt sich für viele Einrichtungen die Herausforderung, ihre interkulturelle Ausrichtung zu stärken, so etwa auch durch die Einrichtung von Stellen für interkulturelle Fragen, den Zugang zu Migrantinnen und Migranten aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen aktiv zu suchen und als Teilnehmende für die Erwachsenenbildung zu gewinnen, dies etwa durch eine intensivere Kooperation mit Migrantenorganisationen wie auch durch die Gewinnung von Personen mit Migrationsgeschichte für beratende Aufgaben und die Lehre usw. Darüber hinaus wird es grundlegend wichtiger, in Erwachsenenbildungseinrichtungen interkulturelle Orientierungen und Diversitätsorientierungen zu stärken, dies im Leistungsangebot, in der Organisation sowie auch in der Personalrekrutierung (vgl. Sprung 2011, Ruhlandt 2016, Öztürk 2018). Angesichts der Tatsache, dass im öffentlichen und politischen Diskurs heute das Grundverständnis von einer offenen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft deutlicher denn je gegenüber Intoleranzen und Anfeindungen zu verteidigen ist, wird die Integrationsaufgabe von Erwachsenenbildungseinrichtungen wichtiger. Es gilt, offene und integrationsförderliche Lern- und Organisationskulturen zu schaffen, die die wertschätzende Reflexion von Diversität und das Zusammenwirken der Beteiligten am Bildungsprozess fördern (vgl. Köck 2016).

2. Was folgt daraus für Erwachsenenbildungseinrichtungen?

Die im Vorangegangenen selektiv und stark verkürzt vorgestellten strukturellen Veränderungen und Herausforderungen sollten zeigen, dass sich Erwachsenenbildungseinrichtungen heute in vielfältigen und veränderungsdynamischen Umwelten bewegen und behaupten müssen. Zugleich machen die genannten strukturellen Veränderungen und Herausforderungen zusammengenommen deutlich: Erwachsenenbildungseinrichtungen geraten heute, und zukünftig womöglich noch deutlicher, in eine Situation, in der es schwierig wird, die Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit der Einrichtungen primär im Rahmen der vertikalen bzw. hierarchischen Organisationsstruktur und allein mit den Mitteln eines mittel- und langfristig angelegten strategischen Managements sicherzustellen. Bei einer insgesamt steigenden Vielfalt und Komplexität sowie vor allem auch Gleichzeitigkeit des Auftretens von relevanten Umweltveränderungen erweist sich eine primär vertikale Handlungskoordination in verschiedener Hinsicht als problematisch: Auf der Leitungsebene kann es zu einer Überkomplexität an (Umwelt-)Informationen und Entscheidungserfordernissen kommen, welche die Verarbeitungskapazität der zumeist wenigen Leitungskräfte in den Einrichtungen übersteigt. Auf der Ebene des Personals, das für die Umsetzung von Leitungsentscheidungen zuständig ist, kann es angesichts einer steigenden Häufigkeit und Komplexität von Anpassungs-, Veränderungs- und Entwicklungsaufgaben zu Aufgabenüberlastungen kommen. In dieser Lage kann und dürfte es wichtig werden, sowohl Organisationsstrukturen als auch Managementorientierungen und mithin die Rollen- und Kompetenzerwartungen an das pädagogische Personal zu überdenken.

In der neueren und aktuellen Organisations- und Managementliteratur wird derzeit unter dem Stichwort «Agilität» über neue Formen der Strukturierung, Handlungskoordination und Zusammenarbeit sowie Führung in Organisationen in veränderungsdynamischen Umwelten nachgedacht (vgl. Aulinger 2017, Oestereich und Schröder 2019). Im Unterschied zu Konzeptionen, die sich auf die Flexibilisierung von Organisationsstrukturen und -prozessen konzentrieren, ohne die Grundstruktur von Organisationen infrage zu stellen, betont das Agilitätskonzept die Umstellung von primär vertikalen auf primär horizontale Organisationsstrukturen bzw. die Vernetzung von Abteilungen, Teams, Projekten usw. Damit einhergehend wird eine Aufgaben- und Kompetenzverschiebung anvisiert, d.h. die Gestaltung, Planung und Führung der Arbeit und Kooperation soll in den jeweils «produktiven» Einheiten sowie weitgehend in direkter wechselseitiger Abstimmung erfolgen. Damit werden hierarchische Strukturen in Organisationen zur Sicherung der Gesamtkoordination, Einheitsbildung und der organisatorischen Akteursrolle zwar keineswegs obsolet. Sie geraten unter dem Aspekt der Agilität sowie bei einer zu erwartenden, fortschreitenden Digitalisierung von Verwaltungs- und Geschäftsprozessen jedoch verstärkt unter dem Gesichtspunkt in den Blick, wie sie die Effektivität der Arbeiten in den produktiven Einheiten unterstützen. Agilität, so die Annahme, lässt sich steigern, wenn Umweltanforderungen dort bearbeitet werden, wo sie in je spezifischer Weise auftreten, und wenn die problemlösungsorientierte Zusammenarbeit aus sachlichen Gründen gesucht und dort gestärkt wird, wo sie erforderlich ist. In Erwachsenenbildungseinrichtungen hat die Ausrichtung auf mehr Agilität vor allem die Konsequenz, dass den Fachabteilungen bzw. Programmbereichen eine höhere Verantwortung zugesprochen wird. «Agilität» meint somit auch, dass die Verantwortung für den Organisationserfolg nicht mehr allein oder vornehmlich auf der obersten Leitungsebene angesiedelt ist, sondern auch in den Fachabteilungen bzw. Programmbereichen – dies gepaart mit einer deutlich erhöhten Relevanz von individuellen Kompetenzen, Handlungsorientierungen und Haltungen.

3. Bezugspunkte für die Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals

Generell zeigt sich in Erwachsenenbildungseinrichtungen, dass sich die institutionelle wie auch strategische Hauptblickrichtung stärker auf Umweltbeziehungen sowie auf die Bearbeitung von Anforderungen und Herausforderungen an der Innen-/Aussen-Schnittstelle verlagert. Damit einher geht eine Aufmerksamkeitsverschiebung auch auf die interne Handlungskoordination und Kooperation. Für die Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals in Erwachsenenbildungseinrichtungen zeichnen sich damit unter anderem folgende Bezugspunkte der Kompetenzentwicklung ab:

(Lern-)technologische und didaktische Kompetenzen: Durchgehend wird es wichtiger werden, dass das pädagogische Personal eine Expertenschaft hinsichtlich der Einschätzung, Auswahl und Handhabung von Verfahren, Instrumenten und Technologien zur Entwicklung, Planung und Umsetzung von Weiterbildungsangeboten und -programmen weiterentwickelt und aktualisiert. Konkret betrifft dies vor allem Kompetenzen hinsichtlich des Einsatzes von digitalen Technologien und Medien, einschliesslich der damit erforderlichen Kompetenzen zur makro- und mikrodidaktischen Ausgestaltung von Programmen und Angeboten wie auch Beratungsleistungen.

Persönlich-reflexive Kompetenzen: Für das pädagogische Personal ist es bereits heute eine alltäglich erfahrbare Realität, mit unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen umzugehen und dabei die jeweiligen Beziehungen mit externen Akteuren wie auch internen Stellen, Abteilungen und der Leitung als Randbedingungen der je eigenen Leistungserbringung zu berücksichtigen. Hier wird es gegenwärtig und zukünftig wichtiger werden, die Entwicklung von persönlich-reflexiven Kompetenzen insbesondere im Umgang mit unterschiedlichen, zum Teil auch disparaten Anforderungen zu stärken und zu fördern.

Kooperations- und Führungskompetenzen: Nicht nur, doch insbesondere im Zusammenhang mit einer «agilen» Organisationentwicklung in und von Erwachsenenbildungseinrichtungen wird es wichtiger werden, die Kooperations- und Führungskompetenzen des pädagogischen Personals nicht nur im Aussenkontakt, sondern auch in der Organisation und mit Blick auf die Bedeutungszunahme der bereichs- bzw. abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit insbesondere bei der Entwicklung von Angeboten und der Bearbeitung von Projekten zu stärken.

Entrepreneurship-Kompetenzen: Angesichts der wichtiger werdenden Aufgabe des pädagogischen Personals, Potenziale zur Nachfragegenerierung zu ermitteln, die Beteiligung unterschiedlicher Zielgruppen zu motivieren, in bereichsübergreifenden Entwicklungsvorhaben mitzuwirken oder diese mit zu initiieren, wird die Förderung von Entrepreneurship-Kompetenzen wichtiger, die unter anderem Aspekte wie Kreativität, Innovationsorientierung, Leistungsmotivation, den Umgang mit Risiko sowie Verantwortungsbewusstsein umfassen.

Die genannten Bezugspunkte der Kompetenzentwicklung des pädagogischen Personals sind sicher nicht die einzigen, die gegenwärtig und zukünftig wichtiger werden. Sie geraten aber unvermeidbar in den Blick, wenn es darum gehen soll, die Arbeit in und von Erwachsenenbildungseinrichtungen bei den gegebenen strukturellen Veränderungen in der relevanten Umwelt und den darin liegenden Anpassungs- und Entwicklungsherausforderungen für die Einrichtungen zu gestalten – dies mit der Perspektive, die Bedeutung von Erwachsenenbildungseinrichtungen als «agile» Akteure mit einer Expertenschaft für das lebenslange Lernen zu festigen und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.

  1. [1] Der Bezug auf strukturelle Herausforderungen wurde von der Autorin bereits in einem früher erschienenen Beitrag hergestellt (Dollhausen 2020) – dies jedoch unter einer anderen Fragestellung und in weniger ausführlicher Form wie im vorliegenden Beitrag.

Literatur

Alke, M. (2017). Nachfolge in Weiterbildungsorganisationen. Den Leitungswechsel strategisch planen und gestalten. Bielefeld: wbv.

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Käpplinger, B. & Reuter, M. (2017). Qualitätsmanagement in der Weiterbildung. WISO DISKURS 15, Friedrich-Ebert-Stiftung.

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Karin Dollhausen, Prof. Dr., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung DIE in Bonn. Kontakt: dollhausen@die-bonn.de