02.12.2024
N°2 2024

Nachhaltigkeit in Weiterbildungsorganisationen. Ein Blick in die Praxis

Weiterbildungsanbieter gehen unterschiedlich mit dem Thema Nachhaltigkeit um, wie ein Blick in die Praxis zeigt. Im Folgenden wird am Beispiel von fünf Anbietern aufgezeigt, mit welchen Fragen sich die Organisationen auseinandersetzen. Dabei wird deutlich, dass es nicht nur darum geht, Angebote und Kurse nachhaltiger zu gestalten oder das Thema Nachhaltigkeit in das Kursangebot zu integrieren, sondern auch strategische Entscheidungen wie Standortwahl, bauliche Investitionen oder die Wahl von Kooperationspartnern auf der Grundlage von nachhaltigen Überlegungen zu fällen.

Die EP-Redaktion hat bei fünf Weiterbildungsanbietern nach ihrem Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit nachgefragt. Der Tenor war insgesamt derselbe: Man nehme das Thema sehr ernst, hiess es in den Antworten. Dennoch sind die Unterschiede beträchtlich. Die Spannweite reicht von einer konzernweiten Nachhaltigkeitsstrategie mit CO2-Bilanz und konkreten Zielen bis hin zu mehr oder minder systematischen Versuchen, im täglichen Betrieb den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. So pflegen die befragten Anbieter alle einen bewussten Umgang mit Ressourcen wie Papier oder Schreibmaterialien, sie verwenden tendenziell digitale anstatt gedruckte Unterrichtsmaterialien, verzichten bei den Getränkeangeboten auf PET-Flaschen oder wenden ähnliche punktuelle Massnahmen an.

Auch die Digitalisierung der Kursadministration kann in diesem Kontext gesehen werden, wie Pro Senectute unterstreicht, die im Jahr 2023 beschlossen hat, der Nachhaltigkeit in ihrer Arbeit einen höheren Stellenwert einzuräumen und ihre strategischen Werte entsprechend zu überarbeiten. Allerdings ist Digitalisierung ein zweischneidiges Schwert. Zwar wird der Papierberg reduziert. Gleichzeitig steigt der Stromverbrauch. Und wer die Rechnung zu Ende führt, muss auch Herstellung und Entsorgung digitaler Geräte in die Kalkulation aufnehmen.

Standortwahl ist massgebend

Einen entscheidenden Faktor zur Stärkung der Nachhaltigkeit spielt der Standort bzw. die Erreichbarkeit der Kurse mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für viele Anbieter ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass ihre Kursräume zentral gelegen und ans ÖV-Netz angeschlossen sind. Und dass natürlich auch die eigenen Mitarbeitenden auf ein Auto verzichten. Dazu können Anreize geschaffen werden. Zuschüsse zum Halbtax-Abo der Mitarbeitenden beispielsweise, wie die AKAD sie ausrichtet, gehören dazu. Aber auch sportlichere oder spielerische Initiativen wie die Teilnahme an Aktionen wie Bike-to-Work, an der sich Academia Education beteiligt hat, können einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

Die oben genannten Aktivitäten sind sicherlich Schritte in die richtige Richtung. Oftmals leisten die Kursanbieter dabei auch wichtige Sensibilisierungsarbeit bei ihren Kursteilnehmenden, die nicht nur mit Fachwissen, sondern einem geschärften Klimabewusstsein die Weiterbildung verlassen. Allerdings muss man sich fragen, ob Nachhaltigkeit effektiv systematisch gesteuert werden kann, wenn sie nicht systematisch gemessen wird.

Messen und Rapportieren

Unter den befragten Unternehmen berichtet einzig die AKAD als Teil der Kalaidos Bildungsgruppe und im Rahmen der Strategie ihrer Eigentümerin, der Klett-Gruppe, von einem eigentlichen Nachhaltigkeitskonzept. Dabei habe man sich den Pariser Klimazielen verpflichtet, die die Erderwärmung auf maximal 2° und möglichst 1,5° Celsius begrenzen sollen.

Die AKAD hat erstmals 2021 im Rahmen ihrer Klimastrategie eine CO2-Bilanz erstellt. Bis 2028 will sie die CO2-Emissionen weiter reduzieren und Restemissionen durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten kompensieren. Ziel ist Klimaneutralität bis 2028. Die Kalaidos Bildungsgruppe Schweiz wurde mit dem Swiss-Climate-Footprint-Label (Bronze) zertifiziert und dafür unabhängig auditiert. Die CO2-Bilanz der AKAD belief sich im Jahr 2021 auf 126 Tonnen CO2. Das entspricht etwa 60 individuellen Flugreisen Zürich–New-York in der Economy-Klasse.

Auch die Stiftung Centre d’Éducation Permanente CEP plant, in den nächsten Jahren eine CO2-Bilanz zu erstellen. Sie vermutet die grösste Wirkung darin, die Mobilität ihrer Teilnehmenden auf öffentliche Verkehrsmittel zu lenken. Tatsächlich hat auch die AKAD als sogenannte Hotspots die Bereiche Heizung und Pendelfahrten ermittelt. Daher verpflichte man sich zum schrittweisen Umstieg auf erneuerbare Energien sowie zur Entwicklung eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts, schreibt Claudia Zürcher, Unternehmensleiterin AKAD sowie Leiterin Ressort Bildungspolitik der Kalaidos-Bildungsgruppe.

Wie bei anderen strategischen Massnahmen und Zielen gehören Messen und Reporting zentral zu einer Nachhaltigkeitsstrategie. AKAD erstellt ihre CO2-Bilanz jährlich. Rapportiert werden dem Verwaltungsrat und der Eigentümerin, der Klett-Gruppe.

Vonseiten der Klubschule heisst es, dass man bestrebt sei, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, was besonders deutlich bei Um- und Neubauten der Standorte sichtbar werde. Die Frage der Berichterstattung über den CO2-Ausstoss der Klubschule werde geprüft.

Damit Nachhaltigkeitsbemühungen auch von Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitenden verstanden und mitgetragen werden, muss kommuniziert werden. Im Jahr 2022 wurde bei der AKAD die Rolle eines «Nachhaltigkeits-Botschafters bzw. -Botschafterin» eingerichtet, um das Engagement innerhalb des Unternehmens und im Netzwerk der Klett-Gruppe zu verbreiten. Die Stiftung CEP wiederum hat einen «Nachhaltigkeitskreis» aus Mitarbeiterinnen ins Leben gerufen. Zudem hat eine Person die Rolle des Nachhaltigkeitsbeauftragten inne. Academia Education will seinen Mitarbeitenden die eigene Unternehmenskultur und Nachhaltigkeitsziele in Online-Onboarding-Kursen vermitteln. Wichtig sei auch der interne Newsletter zu diesem Thema, schreibt die Organisation.

Kurse zum Thema Nachhaltigkeit

Einige Anbieter verstehen Weiterbildung per se als einen Beitrag zu Nachhaltigkeit, wenn auch nicht in einem engeren ökologischen Sinn. Die Möglichkeit, durch Bildung Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten oder soziale Integration zu ermöglichen, sei sowohl auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. Oder wie es die Verantwortlichen der Stiftung CEP formulieren: Nachhaltigkeit sei sozusagen ihr Kernauftrag: die Entwicklung von transversalen, individuellen und kollektiven Kompetenzen. «Wir bilden für heute und morgen aus, über einen längeren Zeitraum und mit dem Ziel, die Praxis zu verändern.» Auf diese Rolle der Weiterbildung verweist auch die Klubschule als eine der grössten Bildungsanbieterinnen in der Schweiz.

Teils wird das Thema Nachhaltigkeit auch direkt in das Kursangebot aufgenommen. Das Spektrum reicht von Sustainable Finance bis zu Kursen für «Nachhaltiges Nähen». In ihrem CAS Change Management orientiert sich die CEP an den Inner Development Goals, einer von verschiedenen Organisationen entwickelten und unterstützten Initiative zur Beförderung der Sustainable Development Goals (SDGs) der UNO. Was in den Kursen an Kompetenzen vermittelt wird, soll selbstredend in der Organisation gelebt werden.

Jedoch werden nicht alle Angebote zum Thema Nachhaltigkeit tatsächlich nachgefragt, wie vereinzelt berichtet wird. Auch stehen zuweilen (behördliche) Auflagen den Reduktionszielen im Wege. «Im operativen Alltag lernen wir, dass Unternehmensstrategie, Lehraufträge und Klimastrategie sich manchmal in einem Spannungsfeld bewegen, das nicht immer einfach zu lösen ist», schreibt Claudia Zürcher von der AKAD. Es ist deshalb umso wichtiger, dass Weiterbildungsanbieter auch auf Partner zurückgreifen können, die sich ebenfalls der Nachhaltigkeit verschrieben haben und auf Initiativen, die sie im Erreichen der eigenen Ziele unterstützen. Zu diesen gehören unter anderen das nationale Projekt «Klima-Check». Dieses soll die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger motivieren, sich gezielt mit der Klimabilanz ihrer Institution auseinanderzusetzen, eine Selbstevaluation der Organisation vorzunehmen und darauf aufbauend klimarelevante Aktivitäten zu initiieren.

Die Umstellung auf mehr Nachhaltigkeit sei ein kontinuierlicher Prozess, der Engagement auf allen Ebenen erfordert, schreibt Régis Ackermann, Leiter der Klubschule Migros. Was Nachhaltigkeitsbemühungen in der Weiterbildung gegenüber anderen Branchen unterscheidet, ist zweifellos die doppelte Aufgabe: Einerseits sollen die Unternehmen selbst auf Nachhaltigkeit getrimmt werden, andererseits vermitteln sie in ihren Kursen Wissen und Verhaltensweisen zu einem nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen. Dieser doppelte Ansatz ist anspruchsvoll. Aber zumindest in den zitierten Fällen scheint er auch dem Selbst- und Rollenverständnis der Anbieter als verantwortungsbewusste Akteure in unserer Gesellschaft zu entsprechen.

Angefragte Weiterbildungsanbieter

Die Klubschule ist eine Marke der Miduca AG, einem Unternehmen der Migros-Gruppe. Sie bietet ein vielfältiges Angebot in den Bereichen Sprachen, Gesundheit und Kreativität für Privatpersonen sowie Firmen bzw. Institutionen. Zudem vermietet sie ihre Räumlichkeiten.

Auskunftsperson: Sabina Cadalbert

Die AKAD ist Teil der Bildungsgruppe Kalaidos. Diese wiederum wurde 2019 von der deutschen Klett-Gruppe übernommen. Das Angebot der AKAD umfasst verschiedene Berufsmaturitäts-Ausrichtungen, die Passerelle zur Universität, die gymnasiale Maturität, Bildungsgänge an Höheren Fachschulen sowie Kurse zur beruflichen und allgemeinen Weiterbildung und Sprachen.

Auskunftsperson: Claudia Zürcher

Academia Education AG bietet unter den beiden Marken Academia Languages und Academia Integration klassische Sprachkurse sowie Integrationsprogramme für fremdsprachige Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Das Unternehmen ist Teil der Academia Group AG, einer inhabergeführten Bildungsgruppe.

Auskunftsperson: Antoinette Breutel

Das Centre d’Éducation Permanente (CEP) ist eine gemeinnützige Stiftung, die sich der Weiterbildung für öffentliche Verwaltungen und halbstaatliche Organisationen widmet. Es bietet Beratung und Forschung im Bereich der Verwaltung und Entwicklung von Humanressourcen im öffentlichen Dienst an, konzipiert im Auftrag von öffentlichen Einrichtungen oder aus eigener Initiative Ausbildungsprogramme und führt Weiterbildungsmassnahmen für das Personal öffentlicher Einrichtungen durch.

Auskunftsperson: Annick Wagner, Favre Patrick

Pro Senectute ist die grösste und eine bedeutende Schweizer Fach- und Dienstleistungsorganisation für Altersfragen. Unter anderem organisieren sie Kurse für Seniorinnen und Senioren in der ganzen Schweiz.

Auskunftsperson: Alain Huber