Inner Development Goals: die innere Dimension der Nachhaltigkeit
Sustainable Development Goals (SDGs) sind in der Nachhaltigkeitsdiskussion ein bekannter Begriff. Noch weniger bekannt ist ihr Pendant auf der individuellen Ebene: die Inner Development Goals (IDGs). Dieser Beitrag skizziert das Modell der IDGs und zeigt, wie Bildungsinstitutionen Nachhaltigkeit in ihre Programme integrieren können, indem sie die innere Entwicklung ihrer Teilnehmenden fördern.
Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen bieten einen umfassenden Plan für eine nachhaltige Zukunft. Erreichen werden wir bis 2030 aber voraussichtlich nur ca. 17% der Ziele (UN, 2024). In einer Welt, die zunehmend mit komplexen globalen Herausforderungen konfrontiert ist, wächst die Erkenntnis, dass technologische Ansätze allein nicht ausreichen. Die materiellen Aspekte der globalen Krisen, denen wir gegenüberstehen, sind eigentlich klar: Energiesysteme, gefährliche Emissionen, Zerstörung der Biosphäre. Einkommen, Landwirtschaft, Ernährungssicherheit. Weniger klar ist, warum wir bisher trotz vorhandener politischer Instrumente, Technologien und Ressourcen nicht annähernd in angemessenem Tempo auf diese Herausforderungen reagieren. «Um diese deutliche Lücke in unserem Verständnis zu schliessen, ist eine neue Perspektive zum Systemwandel erforderlich, die über – oder vielmehr innerhalb – die externen Strukturen und Strategien hinausgeht, hin zur menschlichen Psyche, die diese aufgebaut hat und aufrechterhält» (Wamsler et al., 2021).
Seit einigen Jahren zeigt sich ein wachsendes Interesse für diese ‹neue› Dimension der Nachhaltigkeit, häufig die «innere Dimension» genannt. Was unter dieser Dimension zu verstehen ist, fassen Bristow et al. wie folgt zusammen: «Wenn wir allgemein von ‹innen› sprechen, meinen wir den Bereich der Kognition, Emotion, Bewusstsein und Kultur; ein komplexes Zusammenspiel zwischen individueller subjektiver Erfahrung, unbewussten Prozessen und Neurophysiologie, zwischenmenschlichen Beziehungen, kollektiven Überzeugungen und sozialen Konstrukten. Dies steht im Kontrast zur materiellen ‹äusseren› Welt der Landschaften und Objekte, aber keiner der beiden Bereiche ist wirklich getrennt oder eigenständig» (Bristow et al., 2024, eigene Übersetzung). Mit den Inner Development Goals (IDGs) wurden bestehende Modelle zur inneren Dimension zusammengefasst, vereinfacht und ergänzt, um sie für die breite Bevölkerung zugänglich und verständlich zu machen, ähnlich wie es die SDGs für globale Nachhaltigkeitsziele getan haben.
In diesem Artikel werden wir die Bedeutung der inneren Dimension der Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Inner Development Goals aufzeigen und ihre Bedeutung für die Weiterbildung in der Schweiz beleuchten. Dabei geben wir auch einen kurzen Einblick in die Umsetzung der IDGs.
1. Was sind die Inner Development Goals?
Die Inner Development Goals wurden 2021 in einem kollaborativen Prozess von über 1000 Wissenschaftlern und Experten entwickelt, um die Rolle und Bedeutung der inneren Dimension der Nachhaltigkeit hervorzuheben und ihr eine gemeinsame Sprache zu geben. 2023 wurde dann die IDG Foundation initiiert, die seither die Bewegung koordiniert.1 Seit der ersten Publikation der IDG Foundation (Jordan et al., 2021) gewannen die IDGs an Beachtung. Mittlerweile werden die IDGs gemäss IDG Foundation in über 600 Hubs weltweit umgesetzt.
Das IDG-Framework
Der IDG-Rahmen ist ein offenes System, das darauf abzielt, die innere Entwicklung als Grundlage für nachhaltige Veränderungen zu fördern. Basierend auf Erkenntnissen aus Psychologie, Neurowissenschaft, Pädagogik und anderen Disziplinen, sind die IDGs das Ergebnis einer Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis. Der IDG-Rahmen soll die SDGs unterstützen und dadurch einen ganzheitlichen Ansatz in der Diskussion um Nachhaltigkeit fördern. Er erfasst 23 Kompetenzen, die in fünf Dimensionen unterteilt sind: Sein, Denken, Beziehungen, Zusammenarbeit und Handeln (s. Abb. 1).
Die fünf Dimensionen der IDGs werden wie folgt umschrieben (s. IDG Initiative, o.J.):
1. Sein (Being): Beziehung zu sich selbst
Die Pflege unseres inneren Lebens und die Entwicklung und Vertiefung unserer Beziehung zu unseren Gedanken, Gefühlen und unserem Körper helfen uns, präsent, absichtsvoll und nicht reaktiv zu sein, wenn wir mit Komplexität konfrontiert sind.
2. Denken (Thinking): Kognitive Fertigkeiten
Das Entwickeln unserer kognitiven Fähigkeiten, indem wir verschiedene Perspektiven einnehmen, Informationen bewerten und die Welt als ein zusammenhängendes Ganzes begreifen, ist eine wesentliche Voraussetzung für kluge Entscheidungen.
3. Beziehungen (Relating): Fürsorge für andere und die Welt
Wertschätzung, Fürsorge und das Gefühl der Verbundenheit mit anderen, z.B. mit Nachbarn, künftigen Generationen oder der Biosphäre, helfen uns, gerechtere und nachhaltigere Systeme und Gesellschaften für alle zu schaffen.
4. Zusammenarbeit (Collaborating): Soziale Kompetenzen
Um bei gemeinsamen Anliegen voranzukommen, müssen wir unsere Fähigkeit entwickeln, Akteure mit unterschiedlichen Werten, Fähigkeiten und Kompetenzen einzubeziehen, ihnen Raum zu geben und mit ihnen zu kommunizieren.
5. Handeln (Acting): Wandel vorantreiben
Eigenschaften wie Mut und Optimismus helfen uns, echte Handlungsfähigkeit zu erlangen, alte Muster zu durchbrechen, originelle Ideen zu entwickeln und in unsicheren Zeiten mit Ausdauer zu handeln.
Wie neu sind die IDGs?
Die Dimensionen der IDGs sind an sich nicht neu. Es gibt seit Jahren Kompetenzrahmen für Nachhaltigkeit, wie bspw. «Bildung für Nachhaltige Entwicklung» der UNESCO (vgl. UNESCO, o.J.). Die Leistung der IDGs liegt darin, dass sie diese Kompetenzrahmen zusammenbringen und verständlich darstellen. Etwas Ähnliches passierte mit den Nachhaltigkeitszielen der UNO. Bevor es die SDGs gab, existierten viele verschiedene Nachhaltigkeitsansätze (Millennium Development Goals, Triple-bottom Line usw.). Die SDGs haben diese vereint und für eine gemeinsame Ausrichtung gesorgt. Heute gibt es kaum noch (grössere) Organisationen ohne SDG-Strategie. Im Bereich der Bildung passiert mit den IDGs das Gleiche. Immer mehr Institutionen nutzen das IDG-Modell, um die verschiedenen Aktivitäten in diesem Bereich zusammenzuführen und ihnen einen Rahmen zu geben.
Ein weiterer Grund für das wachsende Interesse an den IDGs liegt darin, dass viele IDG-Kompetenzen eine starke Überschneidung mit den sogenannten Future Skills (vgl. OECD, o.J.) aufweisen. Letztere sollen dazu beitragen, dass Menschen die Herausforderungen des Technologie-Zeitalters am Arbeitsplatz meistern können (vgl. OECD, o.J.). Damit besteht eine Allianz zwischen zwei grossen Trends, die tiefgreifende Änderungen in der Bildung vorantreiben könnten (vgl. UNESCO-IESALC, 2023).
2. Nachhaltigkeit, IDGs und Weiterbildung
Das Ziel, Nachhaltigkeit in Weiterbildungsprogramme zu integrieren, erweist sich in der Praxis oft als schwierig umsetzbar. In vielen Bildungseinrichtungen fehlen sowohl die zeitlichen Ressourcen bei Dozierenden und Teilnehmenden als auch die interdisziplinäre Kompetenz der Dozierenden, um Nachhaltigkeit und insbesondere die innere Entwicklung gewinnbringend in den Unterricht einbauen zu können (Weiss et al., 2021).
Die IDGs können dort zum Einsatz kommen, wo Bildung das Ziel anvisiert, bei den Teilnehmenden eine innere Entwicklung anzustossen, die eine äussere Wirkung entfalten kann. Weiterbildungen, die bereits auf persönliche Entwicklung fokussiert sind, können die IDGs nutzen, um ihre Angebote zu erweitern und zu vertiefen. Dadurch können den Teilnehmenden Fähigkeiten für ihre persönliche und berufliche Entwicklung vermittelt werden, die auch eine aktive Mitgestaltung der Gesellschaft fördern können.
Potenzial der IDGs für die Weiterbildung
Die IDGs sind kein Wundermittel, können die Weiterbildung bei der Erreichung ihrer Ziele aber in zweifacher Hinsicht unterstützen: Zum einen unterstützen die IDGs die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der UNO, zum anderen können sie den Lernprozess der Teilnehmenden unterstützen – unabhängig vom Inhalt der Lernveranstaltung.
Teilnehmende sehen den obligatorischen Besuch eines Moduls zu den SDGs im Rahmen eines CAS möglicherweise skeptisch, da ihnen nicht klar ist, was ihnen dieser Teil des Kurses bringen soll. Bei den IDGs ist der individuelle Nutzen leichter zu erkennen, da sie bei der Motivation und Reflexion der Einzelnen anknüpfen und so die private und berufliche Situation der Teilnehmenden in Verbindung setzen zur Vision der SDGs, eine bessere Welt zu schaffen.
Gemäss einer Analyse der IDG Initiative können die IDGs für Bildungseinrichtungen folgende Möglichkeiten bieten (IDG Initiative, 2022):
- Förderung der persönlichen Reflexion und des Selbstbewusstseins: Die IDGs helfen den Lernenden, ihre eigenen Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen zu hinterfragen und zu verstehen.
- Stärkung der sozialen und emotionalen Kompetenzen: Durch die Betonung von Fähigkeiten wie Empathie, Mitgefühl und Kommunikationsfähigkeit können die IDGs zu besseren zwischenmenschlichen Beziehungen beitragen.
- Erhöhung der Motivation für nachhaltiges Handeln: Die Integration der IDGs kann die intrinsische Motivation der Teilnehmer steigern, um sich aktiv für Nachhaltigkeit einzusetzen.
- Verbesserung der Resilienz und mentalen Gesundheit: Die Förderung von inneren Kompetenzen kann den Lernenden helfen, besser mit Stress und Unsicherheit umzugehen und ihre psychische Gesundheit zu stärken.
- Schaffung einer Kultur der Zusammenarbeit: Die IDGs fördern eine kooperative Lernumgebung, in der gemeinsame Ziele und Werte betont werden.
- Anpassungsfähigkeit an komplexe Herausforderungen: Die IDGs vermitteln Fähigkeiten, die notwendig sind, um in einer sich schnell verändernden Welt erfolgreich zu sein und kreative Lösungen für komplexe Probleme zu entwickeln.
- Langfristige Verhaltensänderung: Durch die Fokussierung auf innere Entwicklung können die IDGs nachhaltige Verhaltensänderungen unterstützen, die über die Dauer des Kurses hinaus bestehen bleiben.
- Kommunikation: Das Narrativ der IDGs, dass es innere Transformation braucht, um die äussere Transformation zu erreichen, ist sehr stark und einfach zu verstehen. Vor allem das Narrativ «von IDGs zu SDGs» kann Weiterbildungsanbietern helfen, sich auf dem Markt zu positionieren.
Herausforderungen für Weiterbildungsinstitutionen
Die Integration der IDGs in Weiterbildungsprogramme bringt auch einige Risiken und Herausforderungen mit sich, die berücksichtigt werden sollten:
- Kosten: Bestehende Methoden zur Förderung der IDGs – wie Coaching, Retreats und Workshops – sind arbeitsintensiv und deswegen relativ teuer.
- Zeitbedarf: Die Anzahl Kurstage ist beschränkt und die Kursinhalte haben meist Vorrang. Das Erlernen der IDGs kostet jedoch Zeit und braucht seinen Platz im Curriculum.
- Skalier- und Replizierbarkeit: Die verfügbaren Methoden zur Förderung der IDGs sind häufig schwierig zu skalieren und lassen sich nicht immer eins zu eins auf neue Kontexte übertragen.
- Fehlendes Know-how: Die meisten Dozierenden sind Fachexperten aus der Praxis. Die Kompetenzen, um die innere Entwicklung der Teilnehmenden effektiv zu unterstützen, sind häufig nicht vorhanden.
3. Wie können IDGs in der Praxis genutzt werden?
Es gibt verschiedene Ansätze, wie man die IDGs in Weiterbildungen integrieren kann.
Das Schweizer Start-up Rflect begleitet seit einigen Jahren Bildungsinstitutionen bei der Implementierung der Inner Development Goals in Bildungsprogramme, wobei dies bisher vor allem Hochschulen waren. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen empfehlen wir für die Implementierung der IDGs in Weiterbildungsprogramme ein Vorgehen in drei Schritten:
Schritt 1: Bestandsaufnahme
Als ersten Schritt zur Integration der IDGs in Weiterbildungsprogramme empfiehlt es sich zu überprüfen, welche Massnahmen und Aktivitäten bereits im Einklang mit den IDGs stehen. Durch eine systematische Strukturierung dieser bestehenden Initiativen entlang der fünf Dimensionen der IDGs lässt sich die Effektivität und Kohärenz der Programme steigern. Diese strukturierte Herangehensweise kann genutzt werden, um Bildungsangebote klarer zu kommunizieren und den Mehrwert für die Teilnehmenden hervorzuheben. Dies hilft auch, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, die das Engagement und die Motivation der Lernenden fördert. Schliesslich ermöglicht es, erfolgreiche Ansätze und Best Practices zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Man muss das Rad nicht neu erfinden – basierend auf dieser Analyse können bestehende Lücken erkannt und der Bedarf an weiteren Interventionen definiert werden.
Schritt 2: Einzelne Interventionen integrieren
Nach der Strukturierung bestehender Aktivitäten rund um die IDGs besteht der nächste Schritt darin, Interventionen gezielt dort zu integrieren, wo sie sinnvoll sind. Dafür empfehlen wir folgendes Vorgehen:
- Lernziele des Weiterbildungprogramms mit den IDGs vergleichen. Welche IDG-Kompetenzen passen gut zum Weiterbildungsprogramm?
- Intervention ins Curriculum integrieren, die dazu beiträgt, die IDGs zu entwickeln. Dies kann eine kleine Intervention sein wie bspw. ein Workshop, eine Übung oder eine strukturierte Reflexion.
- Die Integration der IDGs klar an die Inhalte des Programms koppeln, damit die Teilnehmenden deren Relevanz verstehen.
Das «IDG Toolkit» (https://idg.tools/) ist eine gute Ressource, um wirkungsvolle Interventionen zu definieren. Die Toolbox wurde kollaborativ entwickelt und wird laufend weiterentwickelt mit dem Ziel, Individuen und Organisationen bei der Umsetzung der IDGs in der Praxis zu unterstützen.
Eine weitere nützliche Ressource ist die von holländischen Ausbildern entwickelte «Transition Makers Toolbox» (www.transitionmakers.nl). Auch diese Toolbox ist frei verfügbar und bietet eine Vielzahl von Methoden und Werkzeugen, die in einzelne Schulungen integriert werden können, um die Kompetenzen der Teilnehmenden im Hinblick auf die IDGs zu fördern.
Schritt 3: Strukturierte Integration
Der dritte Schritt ist die systemische Integration der IDGs in Weiterbildungsprogramme. Die IDGs bieten die Möglichkeit, einen roten Faden der inneren Entwicklung durch das gesamte Programm zu ziehen, ähnlich wie ein strukturiertes – und kostengünstiges – Coachingprogramm. Wir empfehlen dabei folgende Herangehensweise:
- Selbsteinschätzung: Die Teilnehmenden führen zu Beginn und am Ende ihrer Lernprogramme eine Selbsteinschätzung durch, beruhend auf evidenzbasierten Skalen, die vom IDG-Framework inspiriert sind. Dieser Prozess fördert das Selbstbewusstsein und trägt im Laufe der Zeit zum persönlichen Wachstum bei.
- Geführte Reflexion: Wichtige Momente im Lernprozess der Teilnehmenden werden mit geführten Reflexionen kombiniert. Damit unterstützt man die Teilnehmenden darin, die Kursinhalte mit ihrer persönlichen Entwicklung in der Sprache der IDGs zu verbinden. Gefördert wird dabei nicht nur das Erlernen und das Verständnis der Kursinhalte, sondern auch die Selbstwahrnehmung.
- Peer-Coaching: Durch regelmässige strukturierte Peer-to-Peer-Übungen, welche aktives Zuhören, effektives Feedback und kritische Fragestellungen unter den Studierenden anregen, können sich die Teilnehmenden gegenseitig ihre eigene Entwicklung spiegeln.
- Insight-to-Action: Reflexion alleine genügt jedoch nicht. Deshalb sollte man die Teilnehmenden dabei unterstützen, persönliche Erkenntnisse aus den Reflexionsprozessen in konkrete Handlungsschritte umzuwandeln. Ein möglicher Weg dazu ist, während 21 Tagen tägliche Erinnerungen für neue Aktionen einzurichten. Damit kann die Bildung neuer Gewohnheiten gefördert werden.
- Workshops: Systematische Workshops, zum Beispiel auf der Basis der Transition Makers Toolbox, können dazu beitragen, Kernfähigkeiten zu entwickeln, die zum Weiterbildungsprogramm passen.
Durch diese Herangehensweise erhalten die Teilnehmenden eine gemeinsame «Sprache» für ihr Lernen und ihre persönliche Entwicklung. Dies fördert eine tiefere Auseinandersetzung mit den Lerninhalten und stärkt die Fähigkeit, die erworbenen Kompetenzen auf verschiedene Lebensbereiche zu übertragen.
Einblick in die praktische Umsetzung
Der systematische Einsatz der IDGs in der Bildung nimmt zu, aber die IDG Initiative ist noch sehr jung, entsprechend gibt es bisher kaum Forschung zur Effektivität und Praktikabilität der IDGs.
Auch publizierte Einblicke in konkrete Fallbeispiele sind noch rar. Für den Hochschulbereich bietet die LinkedIn-Gruppe «IDG Researchers & Higher Education Circles» Einblick in verschiedene Umsetzungen.
Für Institutionen, die die IDGs umsetzen und dabei von den Erfahrungen anderer Institutionen profitieren möchten, gibt es – auch in der Schweiz – sogenannte IDG-Hubs, an denen Erfahrungen ausgetauscht und Tipps für eine erfolgreiche Umsetzung weitergegeben werden können.
Auf dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrungen können wir exemplarisch zwei Beispiele gelungener Integration der IDGs in Bildungsprogramme erwähnen:
Beispiel 1: Integration der IDGs in einem CAS der HWZ
Im CAS Women Leading Digital der Hochschule für Wirtschaft Zürich HWZ werden Frauen auf Führungspositionen in der digitalen Wirtschaft vorbereitet. Die Programmleitung hat sich entschieden, einen roten Faden der inneren Entwicklung durchs Programm zu ziehen. Inhaltliche Tagungen werden vor- und nachbereitet und an die eigene persönliche Entwicklung der Teilnehmerinnen gekoppelt. Eine Kompetenzmessung anhand der IDGs am Anfang und Ende des Programms gibt sowohl den Studierenden als auch der Programmleitung eine Übersicht der Kompetenzentwicklung. Obwohl es keine expliziten Module zur Nachhaltigkeit gibt, ist Nachhaltigkeit durch die IDGs transversal in das Programm integriert.
Beispiel 2: Integration der IDGs in eine nonformale Weiterbildung in Österreich
Die Klimaschutzakademie in Wien ist ein privater, nonformaler Weiterbildungsanbieter. Ihr Ziel ist es, ihre Kunden «klimafit» zu machen. Zum Angebot der Akademie gehört ein viermonatiges Programm mit umfangreichem inhaltlichem Wissen zu Klimathemen. Dank den IDGs konnten sie die inhaltlichen Themen gezielt an Kompetenzen koppeln, die für den Erfolg in der Berufsrealität der Teilnehmenden relevant sind. Ziel der Implementierung der IDGs ist es, die Relevanz des Inhalts für die Teilnehmenden zu erhöhen und dabei zugleich notwendige Zukunftskompetenzen zu trainieren.
4. Fazit
In einer zunehmend komplexen und vernetzten Welt sind die Fähigkeiten und Kompetenzen, die durch die IDGs gefördert werden, aus unserer Sicht unerlässlich, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Bildungseinrichtungen, die die IDGs in ihre Programme integrieren, sind besser gerüstet, um ihre Teilnehmer auf die Anforderungen einer sich schnell verändernden Welt vorzubereiten, und haben dadurch auch bessere Chancen, langfristig zu bestehen. Möglicherweise könnten sich die IDGs sogar zu einer Standardkomponente von Bildung entwickeln.
Aus unserer Sicht sind die IDGs also weit mehr als ein vorübergehender Trend. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Veränderung in Bezug auf das Verständnis von (Weiter)bildung (vgl. UNESCO-IESALC 2023):
- Vom Prinzip curriculum-led zum Prinzip student-led: Wenn man Lernenden die Verantwortung für ihre individuellen Lernziele übergibt, arbeiten sie motivierter an deren Erreichung. Das reicht vom einfachen projektbasierten Lernen über die Evaluierung des Lernfortschrittes auf der Basis persönlicher Lernziele bis hin zu individuell gestalteten Studiengängen. Die Teilnehmenden werden ermächtigt, ihre eigenen Stärken auszubauen. Zudem werden sie darin unterstützt, ihre persönliche Entwicklung zu verfolgen und das Lernen zu einer lebenslangen Gewohnheit zu machen (vgl. Gess Education, o.J.).
- Vom einmaligen Diplom zu lebenslangem Lernen: Gemäss Einschätzung des WEF werden sich 44% der Arbeitnehmenden in den nächsten fünf Jahren weiterbilden müssen (WEF, 2023). Lebenslanges Lernen ist somit entscheidend, um mit den schnellen Veränderungen in Technologie und Arbeitsmarkt Schritt zu halten, berufliche Flexibilität zu gewährleisten, persönliche und berufliche Entwicklung zu fördern und zur wirtschaftlichen sowie sozialen Entwicklung beizutragen.
- Vom Wirtschaftsbeitrag zum holistischen Gesellschaftsbeitrag: In der Zukunft wird Bildung noch stärker als bisher zur sozialen, kulturellen und intellektuellen Entwicklung der Gesellschaft beitragen müssen, wenn wir eine Gesellschaft wollen, die das Wohlergehen aller Menschen anvisiert und zugleich den Planeten schützt (vgl. Gosh, 2024).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die IDGs eine Chance bieten, die Qualität der Weiterbildung zu verbessern und gleichzeitig einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Die IDGs können nachhaltiges Denken und Handeln sowie die persönliche und berufliche Resilienz fördern. Ihre systematische Integration kann Bildungseinrichtungen dabei unterstützen, ihre Marktposition zu stärken und den wachsenden Erwartungen an nachhaltige Bildungsangebote gerecht zu werden. Damit kann die Implementierung der IDGs nicht nur zu einem strategischen Vorteil und zu einem Wettbewerbsvorteil werden, sie leistet darüber hinaus auch einen relevanten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft. Mit diesem Ansatz tragen Weiterbildungsanbieter also zur Erreichung der SDGs bei.
- Die IDG Foundation besteht aus einer internationalen Kooperation folgender Organisationen: 29k Foundation, Ekskaret Foundation, IMD Business School for Management, LUCSUS Center for Sustainability Studies (Lund University), Stockholm Resilience Center (Stockholm University), The New Division, Flourishing Network at Harvard University und World Business Council for Sustainable Development (WBCSD).
Quellen
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Bristow, J., Bell, R., Wamsler, C., Björkman, T., Tickell, P., Kim, J., & Scharmer, O. (2024): The system within: Addressing the inner dimensions of sustainability and systems transformation. Club of Rome. https://www.clubofrome.org/wp-content/uploads/2024/05/Earth4All_Deep_Dive_Jamie_Bristow.pdf
Gess Education. (o.J.): Empowering Classrooms with Student-Led Learning. GESS Education. https://www.gesseducation.com/gess-talks/articles/empowering-classrooms-with-student-led-learning
Gosh, U. (2024): Seven things driving the evolution of the university in the 21st century. Times Higher Education (THE). https://www.timeshighereducation.com/campus/seven-things-driving-evolution-university-21st-century
IDG Initiative. (o.J.): Inner Development Goals – Inner Growth for Outer Change. http://www.innerdevelopmentgoals.org. Deutsche Fassung: https://drive.google.com/file/d/1myZOLhmPe5wJVto8d8KUm-FWsLSLivte/edit
IDG Initiative. (2022): IDG Phase 2 Research Report. IDG. https://drive.google.com/file/d/1I0ThTPl75h3M6iLzZ7KgYOsiLcrZw3Bw/edit
IDG Initiative. (2023): Global Leadership for Sustainable Development (GLSD) Programme - Program Evaluation. IDG. https://drive.google.com/file/d/1mb8u6izZ6AiUjbiwp_9s9msois9Pjo3E/edit
Jordan, Th., Reams, J., Stålne, K., Greca, S., Henriksson, J.A., Björkman, T., & Theo Dawson. (2021): Inner Development Goals: Background, method and the IDG framework. https://drive.google.com/file/d/13fcf9xmYrX9wrsh3PC3aeRDs0rWsWCpA/edit
OECD. (o.J.): Future of Education and Skills 2030. OECD. https://www.oecd.org/en/about/projects/future-of-education-and-skills-2030.html
Rflect. (o.J.): http://www.rflect.ch
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UNESCO-IESALC und Teodoro Pearce Maury (2023): The future of higher education: skills for the world of tomorrow – UNESCO-IESALC. https://www.iesalc.unesco.org/en/2023/08/11/the-future-of-higher-education-skills-for-the-world-of-tomorrow/.
UNITED NATIONS (2024): The Sustainable Development Goals Report 2024. https://unstats.un.org/sdgs/report/2024/
Walden University. (o.J.): What Are the Benefits of Competency-Based Education? Walden University. https://www.waldenu.edu/why-walden/flexibility/resource/what-are-the-benefits-of-competency-based-education
Wamsler, C., Osberg, G., Osika, W., Herndersson, H., & Mundaca, L. (2021): Linking internal and external transformation for sustainability and climate action: Towards a new research and policy agenda. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2021.102373
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Frei verfügbare Hilfsmittel für die Praxis
IDG Toolkit: https://idg.tools/
Makers Toolbox: www.transitionmakers.nl
Alle erwähnten Internetquellen wurden am 17.07.2024 abgerufen.