22.11.2022
N°2 2022

Zur Entwicklung der Weiterbildung/Erwachsenenbildung während der Bildungsexpansionsphase der 1960er- und 1970er-Jahre

Die Situation der Weiterbildung veränderte sich in den 1960er- und 1970er-Jahren wesentlich, was gleichzeitig auf die wirtschaftliche Hochkonjunktur, begleitet von massgeblichen Veränderungen im Qualifikationsbedarf auf dem Arbeitsmarkt, und auf grossen Fachkräftemangel zurückzuführen ist. Die Institutionalisierung und Professionalisierung der Weiterbildung muss aber auch als Teil der allgemeineren Bildungsexpansion interpretiert werden. Die Wirtschaftskrise im Zuge der Ölpreiskrisen bewirkte dann allerdings, dass ab Mitte der 1970er-Jahre die bisherigen Funktionen der Weiterbildung während der Hochkonjunktur – Qualifikationserhalt und Qualifikationserweiterung – durch Aufgaben in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ergänzt wurden.

«Die grössten Aufgaben werden sich aber vermutlich in naher Zukunft auf dem Gebiet der Weiterbildung stellen.»

(Gretler, 1985, S. 22)

Weiterbildung, Fortbildung, Bildung im Erwachsenenalter/Erwachsenenbildung, rekurrente Bildung, lebenslanges Lernen/«éducation permanente», quartärer Bildungsbereich und wohl noch einige weitere Begriffe[1] bezeichnen ein Phänomen, das im Verlaufe der letzten 50 Jahre stark an Bedeutung gewonnen hat, das aber historisch hinter die hier thematisierte Phase der Bildungsexpansion in den 1960er- und 1970er-Jahren zurückgeht. Der folgende Beitrag zeigt zunächst kurz auf, wie sich dieser Bildungsbereich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert allmählich entwickelte und wie er sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu institutionalisieren und zu differenzieren begann. Der Hauptteil ist der Frage gewidmet, wie und weshalb sich nach der Mitte des 20. Jahrhunderts im Bereich der Weiterbildung wesentliche Bedeutungsverschiebungen und Institutionalisierungsprozesse ergeben haben.[2] Im letzten Teil wird auf einige Folgen und weitere Entwicklungen nach Mitte der 1970er-Jahre hingewiesen.

1. Die Tradition der Weiterbildung/Erwachsenenbildung

Bildungsbemühungen waren historisch gesehen nicht einfach nur auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet, sondern die Alphabetisierung der Bevölkerung zielte spätestens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch auf Erwachsene. Erste Formen fanden die Bemühungen in den sog. Lesegesellschaften, in denen sich Erwachsene zusammenschlossen, um gemeinsam Bücher und Zeitungen zu beschaffen, sie zu lesen und das Gelesene zu diskutieren (Bachmann, 1993). Ökonomische, naturwissenschaftliche und gemeinnützige Gesellschaften wurden seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert Orte und Gesellungsformen, die mit einem Bildungsanspruch für Erwachsene verbunden wurden (Bachmann-Di Michele, 1992). Im 19. Jahrhundert waren es dann auch Vereine unterschiedlichster Art, die Funktionen in der Weiterbildung übernahmen. Zwar waren Bildungsanliegen für Erwachsene zunächst vor allem auf besser situierte Volkskreise ausgerichtet, aber bereits im mittleren Drittel des 19. Jahrhunderts begannen sich Arbeiter und Angestellte in Selbsthilfeorganisationen zusammenzuschliessen (Grütlivereine, Kaufmännische Vereine) und sich auch um Bildungsfragen zu kümmern.

Dies führte bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu Arbeiterbildungsausschüssen; 1912 gründeten der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz die Schweizerische Arbeiterbildungszentrale (König, 1977; Gschwend et al., 1987; Criblez, 2020). Arbeiterbildung war dann insbesondere in den 1920er-Jahren ein vieldiskutiertes Thema. Die Arbeiterbildungsexponenten grenzten sich nach dem Ersten Weltkrieg jedoch deutlich gegen die in einzelnen Städten entstandenen Volkshochschulen ab (Bähler, 1921; Reinhard, 1924). Volkshochschulen seien Teil eines bildungsbürgerlichen Programms. In der Arbeiterbildung ging es dann neben Bildung auch um Agitation und Klassenkampf, und neben allgemeinen Kursen investierten Partei und Gewerkschaften insbesondere auch in die Funktionärsschulung (Criblez, 2020).

Neben Arbeiterbildungsinstitutionen und Volkshochschulen, die für sich den Anspruch der weltanschaulichen Neutralität erhoben, etablierte sich eine dritte Form der Erwachsenenbildung (Dominicé & Finger, 1991, S. 12f.) nach dänischem Vorbild, die sog. Volksbildungsheime, z.B. das von Fritz Wartenweiler 1935 gegründete Volksbildungsheim auf dem Herzberg (Wartenweiler, 1935). Dieses Modell zielte darauf ab, den kursorischen Charakter der andern beiden Modelle zu überwinden und jungen Erwachsenen über längere Zeit – meist auf dem Land – Möglichkeiten der Weiterbildung sowie der Orientierung und Reflexion in einer Lebensgemeinschaft anzubieten.

Auch die berufsbezogene Weiterbildung begann sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere als Führungs- und Managementausbildung, zu etablieren (Geiss, im Druck). Zudem waren im Berufsbildungsgesetz (BBG) von 1930 zwei Bildungsformate institutionalisiert worden: einerseits Fachschulen (Art. 25) und andererseits die höheren Fachprüfungen (Art. 42ff.). Die erste Form existierte seit der Gründung des ersten Technikums 1874 in Winterthur. Mit den Fachschulen hatte man die Tradition der Technika im Blick, mit den höheren Fachprüfungen diejenige der Meisterprüfung. «Die Berufsverbände können unter den nachstehenden Bedingungen gesetzlich anerkannte Meisterprüfungen oder andere höhere Fachprüfungen veranstalten.» (BBG, 1930, Art. 42). Der Bund förderte solche Weiterbildungsbemühungen mit Subventionen.

2. Weiterbildung während der Bildungsexpansionsphase, 1960er- bis 1970er-Jahre

Die Zeit zwischen den 1950er- und Mitte der 1970er-Jahren war geprägt durch starkes Wirtschaftswachstum, quasi Vollbeschäftigung in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren, Technologisierung und ein starkes Geburtenwachstum. Während Letzteres ein wesentlicher Motor der Bildungsexpansion war – immer mehr Schülerinnen und Schüler, immer neue Schulen, immer mehr Lehrerinnen und Lehrer (vgl. Criblez, 2001) –, wirkte sich der demografische Wandel zunächst kaum auf die Weiterbildung bzw. die Erwachsenenbildung aus. Dagegen waren das Wirtschaftswachstum und der Wirtschaftswandel in vielfältiger Weise für Veränderungen im Weiterbildungsbereich mit verantwortlich. Parallel zur Hochkonjunktur wurde der Wohlfahrtsstaat ausgebaut. Eine zukunftsoptimistische Grundstimmung verbreitete sich in breiten Bevölkerungskreisen. Sie zeigte sich nicht nur in der zunehmenden Technisierung (insbesondere auch der Haushalte: Kühlschrank, Waschmaschine, Staubsauger, Elektroherd, Fernseher, Haartrockner …), sondern auch in der zunehmenden (Auto-)Mobilität und darin, dass sich die durchschnittlichen Familien viel mehr leisten konnten (Konsum, Ferien, Freizeit) als je zuvor (Halbeisen et al., 2012).

Bildungsoptimismus

Mit der wirtschaftlichen Hochblüte, in Frankreich auch als «trente glorieuses» (Fourastié, 1979) bezeichnet, waren Aufstiegshoffnungen verbunden. Sie zeigten sich einerseits darin, dass Schweizer (wohl noch weniger die Schweizerinnen) als Arbeitskräfte von der sog. Unterschichtung profitierten, dem Phänomen, dass die «Gastarbeiter» nun vermehrt die einfachen und schlechter bezahlten Arbeiten ausübten. Der soziale Aufstieg war nun nicht einfach mehr über Generationen, sondern innerhalb einer Generation möglich. Andererseits konnte nun, dank der Öffnung der höheren Bildung, dank neuer Bildungsangebote wie dem Abendtechnikum oder neuen Möglichkeiten der Erwachsenenmatur und auch dank zunehmender betrieblicher Weiterbildungsbemühungen, dieser soziale Aufstieg auch durch die Individuen selbst vorangetrieben werden. Vor dem Hintergrund eines weit verbreiteten Bildungsoptimismus vor allem in den 1960er-Jahren schien der «american dream» für viele realisierbar.

Aber nicht nur auf Seiten der Arbeitnehmenden herrschte Aufbruchstimmung, sondern auch die Unternehmen und Betriebe waren nach dem Zweiten Weltkrieg in eine Art «Wachstumstaumel» geraten. Die wirtschaftlichen Wachstumsprozesse beschleunigten sich (Kneschaurek, 1964, S. 151), nachdem man in der Schweizer Politik und Wirtschaft zunächst davon ausgegangen war, dass die wirtschaftliche Depression der 1930er-Jahre zurückkehre (Blättler, 1999, S. 49). Das Gegenteil sollte eintreten. Die Wachstumsimpulse entsprangen vor allem der «weltpolitischen Konstellation» (Kneschaurek, 1964, S. 152). «Durch alle diese Faktoren wurde zugleich jenes psychologische Wachstumsklima genährt, das mit der Übernahme einer optimistischen Grundhaltung nicht unwesentlich zur Stützung und Potenzierung der allgemeinen Wirtschaftsexpansion beitrug.» (Kneschaurek, 1964, S. 152).

Treiber des Wachstums waren neben einem Nachholbedarf aus den Kriegsjahren und dem Mehrbedarf durch den demografischen Wandel bzw. das Bevölkerungswachstum insbesondere die Technologisierung, die nicht zuletzt auf die militärtechnischen Forschungen während der Kriegsjahre zurückzuführen war (Beispiel: Atomenergie). Als zweiten Treiber lässt sich die Verschiebung von Arbeitsplätzen von der Land- und Forstwirtschaft sowie der handwerklichen und gewerblichen Produktion hin zur Fabrikindustrie und zu Dienstleistungsberufen identifizieren (Stocker, 1962). Drittens war mit diesen beiden Prozessen in vielen Berufen eine Steigerung der Anforderungen zu beobachten, die etwa auch als «wachsende Intellektualisierung der Berufe» (Nyikos, 1967) beschrieben wurde.

Mangel an qualifizierten Arbeitskräften

Alle diese Entwicklungen fanden im Kontext zunehmenden Mangels an gut qualifizierten Arbeitskräften statt. Die ersten Publikationen, die nicht mehr von einer Rückkehr der Wirtschaftskrise der Vorkriegsjahre ausgingen (Blättler, 1999, S. 49), erschienen etwa ab Mitte der 1950er-Jahre. In einzelnen Bereichen – etwa im Lehrberuf – hatte der Mangel zum Teil schon in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre zu Notmassnahmen in der Ausbildung geführt (Criblez, 2017). Aber die politische und öffentliche Aufmerksamkeit für das sich verschärfende Problem stieg vor allem in der zweiten Hälfte der 1950er- und zu Beginn der 1960er-Jahre rasch an.

Der Bundesrat setzte Expertenkommissionen ein, zunächst einen «Arbeitsausschuss zur Förderung des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses», der 1959 seinen Schlussbericht vorlegte. Dann folgten weitere Berichte, u.a. 1964 derjenige der «Eidg. Kommission für Nachwuchsfragen auf dem Gebiete der Geisteswissenschaften und der medizinischen Berufe sowie des Lehrerberufes auf der Mittelstufe». Die Analysen waren eindeutig: Es kündigte sich ein enormer Mangel an qualifizierten Arbeitskräften an, zunächst im naturwissenschaftlich-technischen Bereich, dann eigentlich auch für alle andern Berufe mit anspruchsvoller Ausbildung. Die Prognosen traten dann vor allem in den 1960er-Jahren auch ein: Es herrschte weitgehend Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt wurde dadurch in Kombination mit den Aufstiegshoffnungen stark dynamisiert (vgl. oben).

Die politischen Folgerungen aus den Expertenberichten waren über die politischen Parteien hinweg weitgehend konsensfähig. Während die zu Beginn der 1960er-Jahre einsetzende Chancengleichheitsdebatte – 1961 hatte eine entsprechende OECD-Konferenz stattgefunden und die aufstrebende Bildungssoziologie hatte auch für die Schweiz die im Bildungssystem benachteiligten Gruppierungen benannt (OECD, 1961/1967; Hess, Schneider & Latscha, 1966) – die politische Linke zu weitreichenden Reformpostulaten antrieb, waren die bürgerlichen Parteien bereit, einer Öffnung der höheren Bildung zuzustimmen, um den Arbeitskräftemangel möglichst einzudämmen. Diese Koinzidenz von unterschiedlichen Zielen, die scheinbar mit den gleichen Massnahmen zu erreichen sind, war auch mit ein Grund für den Bildungsoptimismus in den 1960er-Jahren.

Weiterbildung gewinnt an Bedeutung

In diesem Kontext wurde nun auch der Weiterbildung zunehmende Bedeutung zugeschrieben, dies aus mehreren Gründen (Bottani et al., 1975): Erstens verschwanden wegen der Technologisierung und der Verschiebung von Arbeitsplätzen zwischen den Beschäftigungssektoren verschiedene Berufe. Für die Möglichkeit und teilweise Notwendigkeit, den Beruf im Erwachsenenalter zu wechseln (Umschulung) galt Weiterbildung zunehmend als Problemlösestrategie (Bottani et al., 1975, S. 18f.). Aber mit der sich schnell verändernden Wirtschaft wurden auch Qualifikationen aus der Grundausbildung zunehmend entwertet. Ein Weiterlernen im Beruf schien deshalb immer notwendiger. Als Folge des wirtschaftlichen Wandels und der Technologisierung wurden zudem neue und andere Qualifikationen nachgefragt (vgl. oben). Sowohl für den Qualifikationserhalt als auch für die Qualifikationserweiterung bot sich die Weiterbildung an. Der Arbeitskräftemangel führte zudem dazu, dass Betriebe und Arbeitgeber Personal zu rekrutieren versuchten, indem sie die Stellen attraktiver gestalteten. Eine solche Massnahme war, den Arbeitnehmenden Möglichkeiten zur Weiterbildung sowohl innerbetrieblich als auch ausserhalb der Betriebe anzubieten. Letztlich gaben ab den 1970er-Jahren auch internationale Organisationen, allen voran das Bildungforschungszentrum CERI der OECD, Anstösse, um sich mit der Weiterentwicklung der Weiterbildung intensiver zu beschäftigen (CERI, 1973).

Eine der wesentlichen Folgen dieser Entwicklungen war die Gründung vieler neuer Weiterbildungsinstitutionen und die Institutionalisierung von Verbänden und Organisationen der Erwachsenenbildung. Es traten neue Akteure auf den Plan; damit war eine Pluralisierung der Trägerschaften verbunden. Rohrer und Sgier (1995, S. 10ff.), Schläfli und Gonon (1999, S. 30ff.) sowie Schläfli und Sgier (2008, S. 27ff.) machen am Ende dieses Prozesses sechs hauptsächliche Gruppen von Anbietern aus:

  • öffentlich-rechtliche Trägerschaft (Bund, Kantone, Städte, z.B. Berufsfachschulen, Universitäten);
  • privatrechtliche Trägerschaft mit gemeinnütziger Ausrichtung (z.B. Volkshochschulen, Elternbildung; Migros-Klubschulen);
  • privatrechtlich-kommerzielle Trägerschaft (z.B. Sprachschulen, Informatikschulen, Managementkurs-Anbieter usw.);
  • Betriebe: interne Weiterbildung;
  • konfessionelle, politische, weltanschauliche oder sozialpartnerschaftliche Trägerschaft (z.B. kirchliche Bildungszentren, Schweiz. Arbeiterbildungszentrale usw.);
  • Privatpersonen und selbstorganisierte Gruppen.

Wachsendes staatliches Engagement

Parallel zu diesen Prozessen begann sich der Staat (Bund und Kantone) stärker für Weiterbildung zu interessieren und zu engagieren (Geiss, 2016). Auf Bundesseite zeigt sich dies am deutlichsten an den beiden Revisionen des Bundesgesetzes über die Berufsbildung 1963 und 1978 (Botschaft, 1962, 1977). 1963 wurde die Weiterbildung explizit als Teil der Berufsbildung eingeführt. Die Ingenieurschulen fanden nun explizit Erwähnung im Gesetz und zur Förderung wurden die Bundessubventionen erweitert (Claude, 1987, S. 17). 1978 wurde die Berufsprüfung als zweite Prüfungsmöglichkeit neben der Meisterprüfung eingeführt. Technikerschulen und die höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschulen (HWV) fanden nun explizit Erwähnung, wurden aber immer noch als Teil der Weiterbildung geführt (Botschaft, 1977, S. 690).

Aber nicht nur die berufliche Weiterbildung sollte gefördert werden, sondern auch die allgemeine Erwachsenenbildung. Dafür waren eigentlich die Kantone zuständig und der Bund konnte eine solche Förderung nicht über seine Regelungskompetenz im Berufsbildungsbereich legitimieren. Der Bund hatte deshalb begonnen, die Erwachsenenbildung – und insbesondere deren Dachverband, die Schweizerische Vereinigung für Erwachsenenbildung – über die Kulturstiftung Pro Helvetia zu subventionieren. Allerdings blieb diese Suventionierung immer prekärer als diejenige der beruflichen Weiterbildung über die Berufsbildungsgesetzgebung, dies auch nachdem der Bericht der eidgenössischen Expertenkommission für Fragen einer schweizerischen Kulturpolitik (1975) die bessere Förderung der Erwachsenenbildung dringlich empfohlen hatte.

Die Bemühungen um eine Erweiterung der beruflichen Weiterbildung waren in den 1960er- und 1970er-Jahren fast durchgehend erfolgreich (die Berufsprüfungen hatten allerdings Anlaufschwierigkeiten), nicht zuletzt, weil die Wirtschaft gut qualifiziertes Personal dringend benötigte. Der Bereich der höheren Fachschulen zum Beispiel boomte in den 1970er-Jahren: In immer neuen Bereichen wurden höhere Fachschulen eingerichtet. Zu erwähnen sind insbesondere die HWV, die in den 1970er-Jahren zunächst aufgebaut, dann stark ausgebaut wurden (Maienfisch, 2018). Generell nahmen die Absolvierendenzahlen an den höheren Fachschulen stark zu, wobei die Ingenieurausbildung am Technikum die quantitativ bedeutsamste Weiterbildung blieb. Ein Teil dieses quantitativen Ausbaus ist wohl auch auf die Einführung von berufsbegleitenden Kursmodellen zurückzuführen (Abendtechnikum!).

Auch die Kantone begannen, Weiterbildung zu fördern und finanziell zu unterstützen. Am deutlichsten wird dies an der Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer, einer Berufsgruppe, bei der sowohl die Ausbildung als auch die Anstellung staatlich monopolisiert ist. Die meisten Kantone haben in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre staatliche Lehrerfortbildungsstellen eingerichtet, um die Attraktivität des Lehrberufs bei sehr grossem Personalmangel zu steigern, und in der Hoffnung, für Lehrerinnen und Lehrer «Aufstiegsmöglichkeiten» (Weilenmann, 1964) im Beruf zu schaffen (Criblez, 2000). Allerdings galt dies auch als ambivalente Massnahme, weil Lehrpersonen mit einem Weiterbildungsausweis während der Hochkonjunktur noch einfacher Stellen ausserhalb des Schuldienstes fanden – und dadurch die Mangelsituation eigentlich verschärft wurde.

Trägervielfalt in der Erwachsenenbildung

Auch die Erwachsenenbildung, die nicht primär auf berufliche Qualifikation ausgerichtet war, entwickelte sich während der «trente glorieuses» stark weiter. Bereits 1951 hatten sich die Träger zur Schweizerischen Vereinigung für Erwachsenenbildung (SVEB) zusammengeschlossen. Als wohl bekanntestes Beispiel für die Weiterentwicklung in diesem Bereich können die Migros Klubschulen gelten. Ihr Hauptfokus lag nach der Gründung 1944 auf Sprachkursen für Erwachsene. Ab 1948 wurde das Kursangebot vor allem in kunstgewerblichen Fächern erweitert, um dann in einem weiteren Schritt generell auf Freizeit- und Lebensgestaltung ausgeweitet zu werden (König, 1977, Bd. 1, S. 29ff.; Dominicé & Finger, 1991). Dass auch in diesem Bereich die technologischen Innovationen eine wesentliche Rolle spielten, zeigt sich beispielhaft an der 1967 eingeführten Weiterbildung von Sprachlehrerinnen und Sprachlehrern mit audiovisuellen Lehr-/Lernmitteln.

Eines der Resultate dieser vielfältigen institutionellen Entwicklung war Unübersichtlichkeit, so dass in den 1970er-Jahren erstmals Übersichten publiziert wurden (z.B. König, 1977). Eine zweite Folge war, dass man über die Ausbildung des Personals nachzudenken begann. Ab 1971 führte die Akademie für Erwachsenenbildung in Luzern Ausbildungskurse für die Ausbildnerinnen bzw. für die Erwachsenenbildner durch (Dominicé & Finger, 1991, S. 80ff.). Und drittens begannen erste Diskussionen über Qualitätsstandards in der Weiterbildung, die sich allerdings erst in den 1990er- und 2000er-Jahren durchzusetzen begannen.

3. Folgen und Weiterentwicklungen

Nach Dominicé und Finger setzte im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung um die Mitte der 1970er-Jahre eine neue Phase ein. Sie sahen diese Phase geprägt von einer «Erosion des Bildungsziels der Aufklärung und der Moderne» (Dominicé & Finger, 1991, S. 16) und vom sich allmählich entwickelnden Bewusstsein für «Die Grenzen des Wachstums» (Maedows et al., 1972). Dass der Bildungsoptimismus in Bildungsskepsis umbrach, wurde schon während des Umbruchs beschrieben, durch den Zürcher Pädagogikprofessor Konrad Widmer etwa als Trendwende «von der Bildungseuphorie zur Bildungsresignation» (1976, S. 13). Die gesellschaftspolitischen Bildungsziele der 1960er-Jahre, u.a. über Weiterbildung die Chancengerechtigkeit zu erhöhen, den sozialen Aufstieg zu ermöglichen und generell die soziale Mobilität zu verbessern, aber auch über Weiterbildung einen Beitrag zur weiteren Demokratisierung zu leisten (Rohrer & Sgier 1995, S. 33f.), wurden zumindest relativiert.

Die auf- und ausgebauten Weiterbildungsstrukturen wurden nun u.a. zur Bearbeitung von Folgen der Arbeitslosigkeit eingesetzt. Damit einher ging eine Funktionserweiterung der Weiterbildung, die sich bereits in den 1930er-Jahren bewährt hatte. Mit den Kriseninterventionsprogrammen im Zuge der Weltwirtschaftskrise hatte der Bund zwei Ziele fomuliert und dafür Bundesgelder zur Verfügung gestellt: Erstens sollten Weiterbildungsmassnahmen dazu dienen, im Sinne der Umschulung «Arbeitslose in andere Erwerbsgebiete» überzuleiten, zweitens wurde von Weiterbildung im gelernten Beruf erwartet, dass die Weiterbildung zu polyvalenteren Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmenden führe (Botschaft 1933, S. 292f.). Weil die Weiterbildung jetzt zumindest teilweise über die Arbeitslosenversicherung finanziert werden konnte, rückte die berufsorientierte Weiterbildung gegenüber der allgemeinen Erwachsenenbildung wieder in den Vordergrund. Weiterbildung galt jetzt nicht mehr primär als «Beitrag zur gesellschaftlichen Erneuerung» (Gonon, Schläfli, Sgier & Gfrörer, 1998, S. 29ff.), sondern als eines der Mittel, um die Wirtschaftskrise bewältigen zu können.

Für Bildungsreformen gelten die 1980er-Jahre als Latenzphase (Hoffmann-Ocon & Criblez, 2017) – das gilt wohl generell auch für den Weiterbildungsbereich. Gleichzeitig kündigten sich schon früh Entwicklungen an, die dann vor allem ab den 1990er-Jahren zu Weiterentwicklungen führten. Einige wenige Beispiele sollen dies abschliessend dokumentieren: Der dritte Ausbaubericht des Schweizerischen Wissenschaftsrates für den Hochschulbereich bezeichnete bereits 1978 die Weiterbildung als einen der wichtigsten Entwicklungsbedarfe der Universitäten. Zu Realisierungen kam es aber erst in den 1990er-Jahren im Zuge der sog. Weiterbildungsoffensive des Bundes. Versuche, den Weiterbildungsbereich auch statistisch zu dokumentieren, scheiterten zunächst, führten aber seit Beginn der 1990er-Jahre zu regelmässigen Berichten des Bundesamtes für Statistik, die auf verschiedene Verzerrungen und benachteiligte Gruppen auf dem Weiterbildungs«markt» hinwiesen (BfS, 1993). Neue Zielgruppen gerieten in den Fokus der Weiterbildungspolitik (Weiterbildung für gering Qualifizierte, Nachholbildung, Bildung für Migrantinnen und Migranten, Bildung für Pensionierte etc.). Nach dem Abflauen der Wirtschaftskrise wurde auch die traditionelle Differenzierung zwischen allgemeiner Erwachsenenbildung und beruflicher Weiterbildung zunehmend relativiert (Rohrer & Sgier, 1995, S. 31ff.). Nicht zuletzt begann sich in den 1990er-Jahren auch die Forschung, zunächst vor allem im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 33 zur «Wirksamkeit der Bildungssysteme», um den Weiterbildungsbereich zu kümmern.

  1. Im Folgenden werden für diese Anliegen generalisierend die Begriffe «Weiterbildung» (für tendenziell berufsqualifizierende Aktivitäten) und «Erwachsenenbildung» (für tendenziell allgemeine Aktivitäten) verwendet, obwohl die historischen Quellenbegriffe zum Teil mit unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen versehen und gegeneinander abgegrenzt verwendet wurden. In Zitaten und Verweisen bleiben die je zeitgenössischen Begriffe jedoch erhalten. Seit den 2000er-Jahren löste der Begriff «Weiterbildung» denjenigen der «Fortbildung» zunehmend ab. Und im gleichen Zeitraum begann sich eine von der UNESCO vorgeschlagene Begriffssystematik mit der Unterscheidung zwischen formaler, nonformaler und informeller Bildung durchzusetzen. Weiterbildung und Erwachsenenbildung sind in dieser Systematik meist der nonformalen Bildung zuzuordnen.
  2. Zur historischen Entwicklung vgl. die kurzen Überblicke in Dominicé & Finger (1991), Schläfli & Gonon (1999) sowie Schläfli & Sgier (2008); zur Entwicklung ausgewählter Institutionen: Dominicé & Finger (1991) sowie König (1977).

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