Organisationsentwicklung und Programmstrategien für BNE in Weiterbildungseinrichtungen
Weiterbildungseinrichtungen können einen wesentlichen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation leisten. Dabei geht es um die Ergänzung und Entwicklung des gesamten Programmangebots im Hinblick auf Aspekte der sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit. Es geht jedoch auch darum, Nachhaltigkeit zu praktizieren. Weiterbildungseinrichtungen müssen selbst zu Akteuren einer nachhaltigen Entwicklung werden und vorleben, zeigen, erlebbar machen, wie nachhaltiges Wirtschaften und Handeln in Organisationen möglich sind. In einem ganzheitlichen Prozess der Organisationsentwicklung kann Nachhaltigkeit im Sinne des «Whole Institution Approach» umfassend in der Organisation verankert werden.
1. Die Grosse Transformation treiben und begleiten: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Weiterbildung
Vor dem Hintergrund des aktuellen ökologischen und sozialen Krisengeschehens sind umfassende Reformen in allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig. In den Nachhaltigkeitswissenschaften wird dieser Prozess als «Grosse Transformation» (WBGU 2011) bezeichnet. Der Begriff beschreibt einen massiven gesellschaftlichen Umbruchsprozess und «verdichtet ökologische, technologische, ökonomische, sozial- und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse zu einem Hoffnung gebenden Gestaltungsprogramm» und wird so «zur Grundlage für ein identitätsstiftendes Narrativ» (Schneidewind 2019, S. 10). Die «Grosse Transformation» kann nur gelingen, wenn sie durch einen tiefgreifenden Mentalitätswandel und ebenso tiefgreifende Lernprozesse der Bevölkerung, insbesondere aber von Entscheidungsträgern begleitet wird. Die Erwachsenenbildung ist hier in besonderem Masse gefordert, denn es sind Erwachsene, die in Politik, Wirtschaft und allen anderen gesellschaftlichen Bereichen mit ihrem Handeln dafür verantwortlich sind, unser Gemeinwesen so zu gestalten, dass auch künftige Generationen die Voraussetzungen für eine lebenswerte Zukunft vorfinden. Weiterbildung kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten und die Transformation durch geeignete Bildungsangebote, durch Beratung und Moderation unterstützen und begleiten – und sie kann die Transformation vorantreiben, indem Einrichtungen und ihre Leitungen und Mitarbeitenden bei sich selbst beginnen (DIE o.J., DVV International 2019, EAEA 2018, Müller 2021a und b).
2. «Wir leben, was wir lehren»: Der Whole Institution Approach
Bildungseinrichtungen wirken nicht nur durch ihr Bildungsangebot, sondern auch durch ihr eigenes Handeln als Betriebe. Jede Einrichtung verbraucht selbst Energie und übt z.B. durch die Wahl des Stromanbieters einen klimawirksamen Einfluss auf den Strommix aus; eine Akademie mit eigener Hotellerie trifft auch durch die Wahl der Gerichte auf dem Speiseplan klimawirksame Entscheidungen und kann, z.B. durch den Kauf von Fair-Trade-Produkten zu gerechteren Produktionsprozessen und Wirtschaftsbeziehungen beitragen. Die UNESCO definiert daher im Weltaktionsprogramm «Bildung für nachhaltige Entwicklung» und in ihrem aktuellen Programm «Education for Sustainable Development: Towards achieving the SDGs» (UNESCO 2020) die «ganzheitliche Transformation von Lern- und Lehrumgebungen» als eines von fünf prioritären Handlungsfeldern: «BNE bedeutet viel mehr als nur eine nachhaltige Entwicklung zu predigen. Es geht darum, nachhaltige Entwicklung zu praktizieren. Nachhaltige Lernumgebungen wie Öko-Schulen oder das Prinzip ‹Green Campus› geben Lehrenden und Lernenden gleichermassen die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsprinzipien in ihren Alltag zu integrieren. Bei der Transformation von Lern- und Lehrumgebungen geht es nicht nur darum, Einrichtungen nachhaltiger zu verwalten, sondern auch Werte und Strukturen der gesamten Institution zu verändern.» (UNESCO 2014, S. 18)
Wenn Weiterbildungseinrichtungen sich am Leitwert der Nachhaltigkeit ausrichten wollen, genügt es also nicht, das Veranstaltungsangebot zu erweitern. Die Einrichtungen müssen selbst zu Akteuren einer nachhaltigen Entwicklung werden und «leben, was sie lehren». Dazu muss Nachhaltigkeit umfassend in der Organisation verankert werden. Die UNESCO propagiert daher den «Whole Institution Approach» (WIA), einen Ansatz, der die gesamte Einrichtung in den Blick nimmt, so wie es von einzelnen Vorreitern einer ökologischen Erwachsenenbildung, v.a. auch von kirchlich getragenen Organisationen, bereits in den 1980er Jahren begonnen und umgesetzt wurde (vgl. z.B. Müller, 1989). Wie dies gelingen kann, zeigt das aktuelle Projekt der «Internationalen BNE-Allianzen», in dem sich zwölf Weiterbildungseinrichtungen aus sieben Ländern gemeinsam auf den Weg machten, sich im Sinne des WIA nachhaltig auszurichten. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde u.a. ein Guidebook und vielfältige Arbeitsmaterialien entwickelt, die jetzt auch anderen Organisationen kostenlos zur Verfügung stehen (DVV International, 2024a und b).
3. Organisationsentwicklung für BNE
Die Transformation einer Bildungseinrichtung zu einer auf Nachhaltigkeit gerichteten Lern- und Lehrumgebung (s.o.) erfordert eine Organisationsentwicklung bzw. die Reflexion laufender Organisationsentwicklungsprozesse unter der Perspektive der nachhaltigen Entwicklung. Dies ist als ein ganzheitlicher Prozess anzulegen, der die Entwicklung des Programmangebotes und eine Revision von Schlüsselbereichen der Organisation (Personalmanagement, Qualitätsmanagement ...) integrativ miteinander verknüpft. Der WIA weitet darüber hinaus den Blick auf Aspekte, die in Organisationsentwicklungsprozessen meist weniger beachtet werden, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit aber eine grosse Bedeutung haben: Bewirtschaftung der Einrichtung, Stoffkreisläufe und Ressourcenmanagement, bauliche Gestaltung und Ausstattung.
Der Prozess einer solchen Organisationsentwicklung zur Ausrichtung auf den Leitwert Nachhaltigkeit kann als Initiative der Leitung beginnen, aber auch von Mitarbeitenden oder sogar von den Lernenden ausgehen. Er kann jedoch in jedem Fall nur gelingen, wenn er breite Unterstützung sowohl bei der Einrichtungs-/Unternehmensleitung als auch bei den Mitarbeitenden und beim Träger der Organisation findet. Auch sollte die Unterstützung von und die Kooperation mit externen Partnern wie lokalen Betrieben und Vereinen, der Kommune und dem weiteren sozialen Umfeld angestrebt werden. Das Ziel ist es, die Kreativität und die Problemlösungsfähigkeit von möglichst vielen Beteiligten zu stimulieren.
4. Ein Transformationskonzept für Weiterbildungseinrichtungen
Am Institut für Bildungsmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg haben wir ein Transformationskonzept für Weiterbildungseinrichtungen entwickelt, in dem ein Vorgehensmodell für den angesprochenen Organisationsentwicklungsprozess detailliert dargestellt wird. Dieses Konzept schlägt drei Stufen vor, in denen Nachhaltigkeit integriert werden kann («Projekte»: Es gibt nur einige wenige Nachhaltigkeitsprojekte, z.B. einzelne Veranstaltungen; «System»: Nachhaltigkeit wird umfassend im Sinne des WIA in der ganzen Einrichtung implementiert; «Profil»: die Einrichtung ist ganzheitlich nachhaltig ausgerichtet und will dies als profilbildendes Merkmal herausstellen und nutzen). So ist sowohl ein niederschwelliger Einstieg als auch eine umfassende Neuausrichtung möglich. Es wird ein grundlegender Prozess beschrieben, der in mehreren Schritten von der Vorbereitung über eine Bestandsaufnahme, Massnahmen zur Kommunikation und Partizipation, die Definition von Zielen, Kennzahlen und Projekten, die Finanzierung bis hin zur Kontrolle und dem Feiern von Erfolgen reicht (vgl. die lilafarbenen Boxen in der Abbildung).
Weiterhin wird ein Tableau von Handlungsfeldern beschrieben, auf dem Einrichtungen tätig werden können. Auf der Stufe «System» orientiert sich die Darstellung an einem Modell für Bildungsmanagement (Müller, 2007) und greift dessen zentrale Elemente (Führungsprozesse, Kernprozess, Unterstützungsprozesse, Stakeholder) auf. Abb. 1 zeigt die Handlungsfelder im Überblick.
Im Folgenden wird auf eine Auswahl der Handlungsfelder kurz eingegangen und – wo möglich – Online-Quellen genannt, die weiterführende Materialien anbieten. Zur vertieften Auseinandersetzung sei auf das umfassende Originaldokument verwiesen (Müller, 2021b).
Leitbild
In Leitbildern formulieren Organisationen die gemeinsam erarbeiteten und getragenen Grundsätze und Orientierungen. Wenn sich eine Erwachsenenbildungseinrichtung verstärkt um BNE und Nachhaltigkeit kümmern will, muss dies auch im Leitbild seinen Ausdruck finden. Bei einem noch sehr aktuellen Leitbild genügt ggf. eine einfache Ergänzung von ein bis zwei Sätzen. Ein älteres Leitbild, bei dem ohnehin eine Überarbeitung ansteht, sollte als Ganzes im Hinblick auf Nachhaltigkeit überprüft und überarbeitet werden.
Für einen erfolgreichen Einsatz von Leitbildern ist es entscheidend, dass sie tatsächlich in einem partizipativen Prozess, bei dem alle Mitglieder eingebunden sind, erstellt werden. Weiterhin können diese Instrumente nur wirksam werden, wenn sich Führungskräfte und Mitarbeitende in der täglichen Arbeit darauf beziehen (z.B. in Besprechungen oder beim Onboarding neuer Mitarbeitenden) und sie immer wieder im Hinblick auf die verabredeten Grundsätze überprüfen.
Veranstaltungsorganisation, Beschaffung und Bewirtschaftung
Auch bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen gilt es, Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen, z.B. lassen sich ggf. Veranstaltungszeiten mit den Verbindungen des öffentlichen Personennahverkehrs abstimmen. Hier kann der vom BMU herausgegebene «Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen» (BMU 2020) unterstützen. Die Publikation enthält Hinweise zu Handlungsfeldern wie Mobilität, Veranstaltungsort und Unterbringung der Teilnehmenden, Catering, Abfallmanagement, Gastgeschenke und Give-aways sowie Barrierefreiheit etc.
Ein erheblicher Beitrag zum Klimaschutz lässt sich z.B. durch den Einkauf von fair, regional und saisonal erzeugten Lebensmitteln aus ökologischem Anbau leisten. In Büros können Recycling-Materialien (z.B. Papier) verwendet und bei nachhaltigen und sozialverantwortlichen Unternehmen beschafft werden. Weitere Anregungen für die Bewirtschaftung der Einrichtung bietet ein Leitfaden der TU Berlin und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (2015) sowie der Leitfaden des Projektes «vhs goes green» (o.J.). Vielfältige Hinweise finden sich auch in den Nachhaltigkeitsberichten von Bildungseinrichtungen, die schon lange nachhaltig ausgerichtet sind, so z.B. die Ev. Akademie Bad Boll (2020).
Personalmanagement und -entwicklung
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung müssen das ganze Vorhaben mittragen und über die dafür nötigen Kompetenzen verfügen und/oder sie entwickeln. Der Prozess der Organisationsentwicklung muss deswegen mit einer korrespondierenden Personalarbeit und -entwicklung verbunden werden, die nicht nur das pädagogische Personal, sondern auch Mitarbeitende in der Verwaltung und anderen Bereichen einbezieht. In grösseren Einrichtungen, in Organisationsverbünden oder auf Verbandsebene kann eine Funktionsstelle für eine Koordinatorin/einen Koordinator für BNE bzw. eine Nachhaltigkeitsbeauftragte/einen Nachhaltigkeitsbeauftragten eingerichtet werden, die nach Möglichkeit auch Mitglied des Leitungskreises ist. Bei Stellenneubesetzungen sollten BNE-Kompetenzen bereits in die Ausschreibung aufgenommen und im Auswahlverfahren Engagement im Bereich Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Durch die Wahrnehmung externer Fortbildungsangebote oder die Organisation interner Tagungen und Workshops können sich Führungskräfte, Lehrkräfte und andere Mitarbeitende weiterbilden. In vielen Einrichtungen gibt es bereits ein funktionierendes Wissensmanagement mit einem gemeinsamen Laufwerk für Dokumente, Unterrichtsentwürfe und -materialien etc., das auch für die BNE und Nachhaltigkeit genutzt werden kann. Doch digitale Werkzeuge können ihr Potenzial nur dort voll entfalten, wo auch das Organisationsklima stimmt. Es ist Aufgabe der Leitung, in der Einrichtung ein Klima des Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung zu fördern und zu ermöglichen. Es geht weiterhin darum, organisatorische Strukturen zu entwickeln, die Kommunikation und Austausch ermöglichen, z.B. Zeiten und Orte zu organisieren, an denen Teamarbeit möglich ist.
Eine besondere Rolle spielen die frei- und nebenberuflichen Lehrkräfte, die im strengen Sinne kein Personal der Einrichtung sind (und aus rechtlichen Gründen auch nicht als solches behandelt werden dürfen), aber bei den meisten Einrichtungen den bei Weitem überwiegenden Teil der Lehrleistung tragen. Wie können sie für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen gewonnen werden?
Im «Guidebook SustainabALE» wird über zwei erfolgreiche Praxisbeispiele berichtet: In der Ökostation der VHS Stuttgart gelang die Einbindung über einen Fachtag für Multiplikatoren, zu dem neben den eigenen Lehrkräften auch externe eingeladen wurden. Die VHS Lemgo organisierte ein Sommerfest für Lehrkräfte, wo sich diese bei Getränken und Essen in angenehmem Ambiente kennenlernen und vernetzen konnten. Gleichzeitig gab es Gelegenheit, sich über Inhalte zu informieren und Methoden der BNE praktisch zu erleben. Weiterhin haben die Partnerorganisationen des Projektes ein Poster entwickelt, mit dem Lehrkräfte angesprochen werden können und das sie zur Mitwirkung gewinnen will (DVV International, 2024a, S. 27).
Zuletzt sei daran erinnert, dass die Erfahrungen während der Corona-Pandemie uns zeigen, dass es einfacher geworden ist, Kursleitende für Online-Meetings und Fortbildungen zusammenzurufen, um sie für die Thematik zu sensibilisieren und weiterzuqualifizieren.
Qualitätsmanagement und Zertifizierungen
Das Qualitätsmanagement einer Einrichtung umfasst alle wesentlichen Bereiche und kann auch ein möglicher Ansatzpunkt für die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit sein. Im Qualitätsmodell der lerner- und kundenorientierten Qualitätsentwicklung für die Weiterbildung (LQW) wird für den optionalen Qualitätsbereich Nachhaltigkeit eine Arbeitshilfe angeboten, die vielfältige Anregungen bietet (ArtSet, 2017). Für Einrichtungen, die mit einem anderen Qualitätsmanagementsystem arbeiten, gibt es seit kurzem die Möglichkeit, nur das Nachhaltigkeitsmanagement zertifizieren zu lassen (Dehn, 2024). Eine weitere Option ist die Zertifizierung nach dem Europäischen Umweltmanagementsystem (EMAS).
5. Programmplanungsstrategien
Im Zentrum einer Weiterbildungseinrichtung steht das Bildungsangebot. Strategisches Ziel muss es sein, Nachhaltigkeitsthemen dauerhaft im Gesamtprogramm zu verankern. Dies kann durch die Implementierung eines eigens ausgewiesenen Themenbereichs Nachhaltigkeit geschehen, aber eine noch grössere Wirkung wird erzeugt, wenn Nachhaltigkeit zudem als Querschnittsthema in das gesamte Programmangebot integriert wird. Dazu gilt es, das Gesamtangebot in der Planung nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu überprüfen (Götz, Müller, 2021).
Eine entsprechende Strategieentwicklung beginnt mit Bestandsaufnahmen: Was machen wir bereits? Wo haben wir noch Lücken? Was zeigen die Sichtung von Programmen anderer Bildungsanbieter und die systematische Analyse von Programmen? Weiterhin gilt es zu prüfen: Wo und wie können SDGs (Sustainable Development Goals) mit einzelnen Fach- und Programmbereichen verknüpft werden: Wo sind Schnittstellen? Wo könnten Nachhaltigkeitsthemen angedockt und der Blick geweitet werden? Eine Arbeitshilfe des DVV bietet dazu mehrere unterstützende Instrumente: eine Zusammenstellung von Praxisbeispielen, eine Checkliste zur Bestandsaufnahme und einen Steckbrief zur Programm- und Kursevaluation (DVV, 2019, S. 37ff.). Auch die Materialien von DVV International (2024c) können hier herangezogen werden, sie enthalten u.a. einen Reflexionskatalog zum Bildungsprogramm. Weitere Anregungen finden sich in der systematischen Programmanalyse des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung DIE (Burdukova, 2019). Ein grosses Portfolio an Lehr- und Lernmaterialien für Veranstaltungen bietet das BNE-Portal des BMUV (o.J.).
Nachhaltigkeitsaspekte lassen sich auch an aktuelle «Hype-Themen» andocken. So können beispielsweise ökologische Gesichtspunkte mit einem der derzeitigen Top-Themen, der Resilienz, und den Fragen verknüpft werden: «Was ist ein nachhaltiger Umgang mit uns selbst?» oder «Wie kann der gebeutelten Natur zu mehr Widerstandskraft verholfen werden?» Gleiches gilt für «Dauerbrenner» wie etwa die Eltern- und Familienbildung oder Themen von jeweils grosser regionaler Relevanz.
Auch gibt es immer wieder Gesetzesänderungen und neue Verordnungen, die jede Bürgerin und jeden Bürger persönlich betreffen, aus denen neue Themen generiert werden können.
Wenn die Einrichtung längerfristige Massnahmen und Zertifikatskurse anbietet, sollte überprüft werden, wo Nachhaltigkeitsthemen im Curriculum verankert werden können.
Viele Einrichtungen haben die Erfahrung gemacht, dass vor allem Mitmachangebote gefragt sind, wo Nachhaltigkeit wortwörtlich «begreifbar» wird (z.B. in einem Kochkurs, in dem gemeinsam gekocht und gegessen, aber auch über Fragen nachhaltiger Ernährung informiert wird). Solche Mitmachangebote sind wichtige Programmbestandteile, es gelingt hier allerdings nicht immer, auch komplexere Themen anzusprechen.
Durch die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern (Vereine, Verbände, Bildungseinrichtungen, andere Organisationen der Zivilgesellschaft, Betriebe) wird das Thema zum Netzwerkprojekt und erlangt grössere Aufmerksamkeit.
Werden Kommunal-, Regional-, oder Stadtentwicklungsprozesse für Nachhaltigkeit initiiert, kann Erwachsenenbildung ihre methodischen Kompetenzen bei der Moderation von (Gross-)Veranstaltungen einbringen oder eigene Veranstaltungen anbieten, um Teilnehmende auf die Mitwirkung vorzubereiten.
Mit einem «Design Thinking Workshop» als Ko-Kreation von Teilnehmenden, Kursleitenden und Kooperationspartnern können auf kreative Weise Programmangebote entwickelt werden (Schmidberger/Wippermann, 2018).
6. Nachhaltigkeit braucht Führung – auf die Leitung kommt es an!
Den Führungskräften kommt bei der Initiierung und Organisation der Transformation einer Weiterbildungseinrichtung im Sinne des Whole Institution Approach eine Schlüsselrolle zu (vgl. Müller, 2021a). Durch eine geeignete Wahrnehmung und Interpretation der Führungsrolle können sie vorhandene Initiativen unterstützen, die Bereitschaft für weiteres Engagement wecken und einen partizipativen Prozess organisieren, der unter grösstmöglicher Beteiligung der in der Einrichtung tätigen und der mit ihr verbundenen Menschen möglichst viele für das Anliegen zu gewinnen sucht. Es geht darum, in der Einrichtung selbst eine Lern- und Führungskultur für Nachhaltigkeit zu entwickeln, die den Raum und den Rahmen bietet, gemeinsam Neues zu entwickeln und zu erproben. Dieses Vorhaben erfordert eine verantwortungsbewusste und motivierende Führung, die Sinn stiftet, die Menschen in ihrer Individualität wertschätzt, Engagement würdigt, Partizipation ermöglicht und zu eigenverantwortlichem Handeln ermutigt.
Führungskräfte wirken massgeblich durch ihr Kommunikationsverhalten und prägen so die Organisationskultur. Sie können durch ihr Handeln und Entscheiden ein Beispiel geben, durch ihr Engagement inspirieren und im besten Falle begeistern. Vor allem anderen aber müssen sie selbst glaubwürdig hinter dem Anliegen stehen.
Literatur
ArtSet (2017): Optionaler Qualitätsbereich Nachhaltigkeit. Hannover. https://www.qualitaets-portal.de/wp-content/uploads/LKQT-Arbeitshilfe-optionaler-QB-Nachhaltigkeit-2017-03.pdf
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMUV, o.J.): Bildung für nachhaltige Entwicklung, Infothek, Lehr- und Lernmaterialien. https://www.bne-portal.de/de/lernmaterialien-2454.php
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMBU, 2020): Ratgeber: Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen. Berlin. https://www.bmu.de/publikation/leitfaden-fuer-die-nachhaltige-organisation-von-veranstaltungen/
Burdukova, Galina (2019): Nachhaltigkeit als Thema in den Programmen und Angeboten der Volkshochschulen im Zeitverlauf. Programmanalysen auf der Basis des digitalen Volkshochschulprogrammarchivs am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung. https://www.die-bonn.de/doks/2019-nachhaltigkeit-01.pdf
Dehn, Claudia (2024): BNEsolo. Das eigenständige Testierungsverfahren für Bildung für nachhaltige Entwicklung. Leitfaden für die Praxis. Hannover: ArtSet. https://www.qualitaets-portal.de/wp-content/uploads/Leitfaden_BNE_SOLO.pdf
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (o.J.): wb-web. Nachhaltigkeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung. https://www.wb-web.de/dossiers/nachhaltigkeit.html; darin: Leben, was wir lehren – mit dem Whole Institution Approach Bildungseinrichtungen nachhaltiger gestalten. https://www.wb-web.de/dossiers/nachhaltigkeit/folge-2-nachhaltigkeit-in-einrichtungen-der-erwachsenenbildung/leben-was-wir-lehren.html
Deutscher Volkshochschulverband (2019): Handreichung. Bildung für nachhaltige Entwicklung an Volkshochschulen. Bonn: DVV. https://www.volkshochschule.de/verbandswelt/programmbereiche/gesellschaft/handreichung-bak-bne-an-volkshochschulen.php
EAEA (European Association for the Education of Adults) (2018): Adult Edcucation and Sustainability. Brussels: EAEA. eaea.org/wp-content/uploads/2018/09/AE-and-sustainability_paper_final_9_2018.pdf
Ev. Akademie Bad Boll (2020): Nachhaltigkeitsbericht. Aktualisierung 2020. https://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/user_upload/02_Tagungszentrum/05_Nachhaltigkeit/Nachhaltigkeitsbericht_Aktualisierung_2020_EvAkademieBadBoll.pdf
Götz, Tobias; Müller, Ulrich (2021): «Megatrend Nachhaltigkeit» – (Programm)-Strategien für die Erwachsenenbildung. In: forum Erwachsenenbildung, H. 4/2021, S. 12–16. https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART104613&uid=frei
DVV International (Institut für Internationale Zusammenarbeit des DVV) (2019): Youth and Adult Education in the Agenda 2030. Bonn: DVV International. www.dvv-international.de/fileadmin/files/Inhalte_Bilder_und_Dokumente/Materialien/Analysis/DVV19002_Studie_SDG_WEB.pdf
DVV International (2024a): Guidebook SustainabALE. Nachhaltige Organisationsentwicklung in der Erwachsenenbildung. Bonn: DVV International. https://www.dvv-international.de/fileadmin/files/Inhalte_Bilder_und_Dokumente/Microsite_ALE_Toolbox/Workbook_SustainabALE/Guidebook_DE_PDF_web.pdf
Ders. (2024b): Workbook zum Guidebook SustainabALE. Arbeitshilfe für die Umsetzung des Whole Institution Approach. Bonn: DVV International. https://www.dvv-international.de/fileadmin/files/Inhalte_Bilder_und_Dokumente/Microsite_ALE_Toolbox/Workbook_SustainabALE/Workbook_SustainabALE_DE_download.pdf
Ders. (2024c): Reflexionskatalog zu den Handlungsfeldern eines Whole Institution Approach. https://www.dvv-international.de/fileadmin/files/Inhalte_Bilder_und_Dokumente/Microsite_ALE_Toolbox/Workbook_SustainabALE/Reflexionskatalog_zu_den_Handlungsfeldern_eines_Whole_Instituion_Approach.pdf
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