Kollaboration schafft Sicherheit
Kooperationen im Weiterbildungsbereich scheinen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen zu haben. Ein Blick in die KV-Bildungswelt gibt Aufschluss über die Gründe und zeigt Beispiele von partnerschaftlichem Agieren auf unterschiedlichen Ebenen. Die vertiefte Zusammenarbeit von Bildunsganbietern, so die Aussagen der Befragten, seien auch wesentlich zur Schaffung von Innovationen.
Die Corona-Pandemie hat der Weiterbildung bekanntlich einen starken Digitalisierungsschub beschert. In einer digitalisierten Bildungswelt verschieben sich die Aufgaben von Kursleitenden und hybride Angebote haben Auswirkungen auf die Belegung gebauter Infrastruktur, um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch die Verschiebung von analogen hin zu hybriden oder gar rein virtuellen Kursen ist nicht die einzige Tendenz, die die Branche seitdem bewegt. Mit der Digitalisierung einher gehen auch eine stärkere Individualisierung der Kursangebote und eine räumliche Entgrenzung (wir behandelten das Thema in der EP1/2023).
Räumliche Entgrenzung hat zur Folge, dass gebaute Infrastruktur und Standortvorteile an Bedeutung verlieren. Nicht allein sind durch die Digitalisierung früheren Platzhirschen Konkurrenten erwachsen, die irgendwo auf der Welt angesiedelt sein können, die vermehrte Nachfrage nach Online-Angeboten führt auch zu schwindenden Belegungszahlen in den Kursräumen. Und je individueller Kursangebote ausgestaltet werden, desto schwieriger ist es, genügend Teilnehmende zu erreichen, damit die Kosten für einen Kurs auch gedeckt werden können. Vor diesem Hintergrund gewinnen Kooperationen verstärkte Aufmerksamkeit.
Der 13. März 2020, als der Bundesrat ein faktisches Verbot für Präsenzunterricht erliess, sei auch bezüglich Kooperationen ein Wendepunkt gewesen, sagt Urs Achermann. Für den CEO der KV Business School in Zürich gibt es ganz klar ein Vor und ein Nach Corona. Vor Corona schloss man sich zusammen, wenn für den einzelnen Partner ein klarer Nutzen ersichtlich war. Kam dieser Nutzen abhanden, erlosch die Kooperation. Es gab im Grunde keinen Anlass zu vertiefter und dauerhafter Zusammenarbeit. Die einzelnen Bildungsinstitutionen kamen ganz gut allein zurecht.
Eher Kollaborationen anstatt Kooperationen
Das sei heute anders, sagt Achermann. Er registriert nicht nur ein deutlich gestiegenes Interesse an Kooperationen innerhalb der KV-Bildung. Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit habe sich verändert. In Kooperationen, wie sie früher eingegangen wurden, hätten die einzelnen Partner Elemente aus ihren jeweiligen Bereichen zur Verfügung gestellt und geteilt. Heute würden die Bildungsanbieter vertieft zusammenarbeiten und gemeinsam Neues entwickeln, das mehr oder anders sei als die jeweiligen vorhandenen Angebote innerhalb der Institutionen. Achermann spricht deshalb lieber von Kollaboration als von Kooperation.
Solche Kollaborationen finden im KV-Bereich unter anderem im Rahmen der KV-Bildungsgruppe statt. 2009 wurde diese als Verein von den fünf grössten KV-Bildungsinstitutionen gegründet. Heute umfasst die KV-Bildungsgruppe elf Schulen. Doch auch die Bildungsgruppe habe sich in den letzten drei Jahren verändert, sagt Thomas Kölliker, Leiter Weiterbildung der WKS KV Bildung, Bern. War man vorher eher noch um sein eigenes kleines Königreich bedacht, arbeitet man nun als Gruppe enger zusammen.
Als Beispiel einer solchen Zusammenarbeit nennt Kölliker die neue Weiterbildung «Digital Collaboration Specialist mit eidg. Fachausweis», den fünf Schulen der Gruppe gemeinsam anbieten. Die Weiterbildung wird in Blended Learning durchgeführt. Gleichzeitig reisen die Teilnehmenden zu verschiedenen Veranstaltungen an die jeweiligen Standorte. Jeder dieser Standorte hat wiederum Spezielles und damit Mehrwert zu bieten. Einer der Standorte ist die Sihlpost in Zürich, Sitz der KV Business School. Urs Achermann erklärt: «Würde jede Schule die Weiterbildung einzeln ausschreiben, könnte keine eine Klasse füllen.» Indem die Schulen kooperieren, wird der Kurs finanziell tragbar.
Kollaboration ist zweifelsfrei eine Möglichkeit, die Kosten im Griff zu behalten. Doch die Rendite allein könne nicht die Basis für die Zusammenarbeit sein, betont Thomas Kölliker. Kollaborationen seien nur erfolgreich, wenn man dieselben Werte teile, meint er. Und natürlich müsse man sich vertrauen können. Maximale Transparenz sei denn zwingend erforderlich.
Kollaboration lernen
Nicht leicht in einer Welt, die föderalen Prinzipien verpflichtet ist, wirft Urs Achermann ein. Mit anderen Worten: Ein System mit regional verwurzelten und selbständig agierenden Institutionen lässt sich nicht über Nacht in ein Netz kollaborierender Schulen verwandeln. Für ihn üben sich die einzelnen Bildungsanbieter denn in einer relativ neuen Disziplin. Es gebe noch viel zu lernen, sagt er. Dieses Lernen findet heute aber nicht nur in der Zusammenarbeit der Anbieter statt, sondern auch direkt in den Unternehmen; denn die Kultur der Kollaboration schlägt sich auch in den neuen Strukturen nieder, die sich die Institutionen geben, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden. In der KV Business School arbeiten vermehrt crossfunktionale Teams zusammen, die eigenständig Themen suchen und diese bewirtschaften. Das Stichwort lautet agile Organisationsform. Diese führt auch zu neuen Kundenbeziehungen, welche wiederum eher einen kollaborativen Charakter erhalten.
Heute habe mehr oder minder jeder eine Meinung dazu, wie Lernen erfolgen soll, sagt Urs Achermann. Bildung, könnte man sagen, kann nicht mehr so einfach in starre Angebote gegossen werden, sondern wird vermehrt zwischen Kundinnen und Kunden einerseits, Anbietern andererseits ausgehandelt. Zwar sind die Möglichkeiten nicht grenzenlos. Aber der ausgeweitete Spielraum verlangt von Bildungsanbietern, sich stärker mit den Bedürfnissen Einzelner auseinanderzusetzen und ihre Beratungsleistungen auszubauen. «Kam früher Case-Management nur bei Ausnahmen zur Anwendung, ist dies heute Normalfall», sagt der CEO der KV-Business School. Entsprechend sind aus Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen Bildungsmanager und Bildungsmanagerinnen geworden, die jeden Einzelfall anschauen und behandeln. Geben Kundinnen und Kunden den eigenen Lernbedürfnissen mehr Gewicht, stellt dies traditionelle Bildungskonzepte tatsächlich auf den Kopf.
Aber veränderte Kundenbeziehungen müssen keine Einbahnstrasse sein. Versteht man Kundinnen und Kunden als Kollaborationspartner, nützt dies auch dem Bildungsunternehmen. Sie könnten beispielsweise bei der Entwicklung von Selbstlerneinheiten helfen, indem man sie nach ihren Erfahrungen befrage und die Antworten an Bildungsprofis zurückspiele, schlägt Thomas Kölliker vor. Die Entwicklung neuer Angebote und Angebotsformen dürfte vermehrt zu einer geteilten Arbeit werden – zwischen Anbietern und Lernenden.
Neue Abschlüsse
Die Entwicklung eigentlicher Bildungswege ist wiederum eine partnerschaftliche Aufgabe unterschiedlicher Schulen. Im KV-Bereich wird dies aktuell im Zusammenhang mit der Rahmenlehranpassung der Höheren Fachschule im Bereich Wirtschaft durchgespielt, die einen neuen Weg zum Bachelor eröffnet. Entsprechend laufen Gespräche einerseits mit Anbietern der Grundbildung, andererseits mit Fachhochschulen, um die Anschlüsse zu gewährleisten. Sollte der «Professional Bachelor» dereinst Realität werden – und die Chancen dafür stehen gut –, wird dies ebenfalls eine enge Kooperation der Schulen auf dem Weg zu diesem Abschluss erfordern.
Deshalb steht für Urs Achermann fest, dass man die heute geforderten Leistungen nicht mehr allein erbringen kann, will man sich nicht als Spartenschule in einer Nische aufhalten – und vielleicht dort untergehen. Wer sich beispielsweise als Anbieter für vorbereitende Kurse auf zentrale Abschlussprüfungen sicher fühlt, könnte in der Bedeutungszunahme von Micro Credentials ein böses Erwachen erleben. Deshalb finden Kollaborationen auch mit Partnern statt, die ausserhalb der Bildung angesiedelt sind und die wiederum zu neuen Angeboten oder einer Verschiebung der Geschäftsfelder führen. Die KV Business School beispielsweise hat zusammen mit Securitas ein sogenanntes Smart-Camp auf die Beine gestellt. Wer die Weiterbildung durchläuft, kann bei der Sicherheitsfirma direkt angestellt werden. Zudem hat sich die KV Business School in Zürich eine Lizenz als Personalvermittler erwirkt, um zukünftig Spezialisten für Change-Management in Unternehmen zu vermitteln.
Die Welt sei komplexer und dynamischer geworden. «Und Komplexität kann man nicht mit Einfachheit begegnen», sagt Thomas Kölliker von der WKS KV Bildung, Bern. Umgekehrt bedeutet Kollaboration auch Sicherheit, gerade weil man nicht alles alleine machen muss. Sich zu überlegen, wie man als Weiterbildungsanbieter Teil eines Ganzen werden kann, ist deshalb schon fast eine Art Überlebensstrategie.