Individualisierte Lernangebote in Alphabetisierung und Grundbildung
Um Lernangebote für Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen passend zu gestalten, bedarf es eines hohen Masses an fachlicher und pädagogischer Kompetenz. Eine wichtige Voraussetzung für Lernfortschritte ist die Motivation der Lernenden, die durch individualisierte Lehr-Lern-Materialien positiv beeinflusst werden kann. Für Lehrkräfte ist die Suche nach passenden Texten angesichts der grossen Heterogenität der Lernenden jedoch eine grosse Herausforderung. Durch den Einsatz neuer Technologien lassen sich Lehr-Lern-Prozesse einfacher individualisieren, wie am Beispiel der Suchmaschine KANSAS demonstriert wird. Gleichzeitig brauchen Lehrkräfte Unterstützung beim Umgang mit veränderten beruflichen Anforderungen sowie mit der Gestaltung eines sich wandelnden Rollenbildes.
Lesen und Schreiben gelten als eine der zentralen Kompetenzen für eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe (Europäische Gemeinschaften, 2007). Ohne ausreichende schriftsprachliche Kompetenzen sind nicht nur die Möglichkeiten zur politischen Mitwirkung eingeschränkt, sondern auch der Zugang zum Arbeitsmarkt, zur gesundheitlichen Fürsorge sowie zu kulturellen und bildenden Angeboten stark erschwert (Egloff, 2010). Zudem zählt ein gewisses Mass an grundlegender Bildung als Voraussetzung für eine umfassende Möglichkeit zur gesellschaftlichen Mitgestaltung (Peuker et al., 2022).
Das Ausmass geringer Literalität ist jedoch auch in wirtschaftlich weit entwickelten Nationen nach wie vor hoch. So gelten in Deutschland etwa 6,2 Millionen Menschen als gering literalisiert (Grotlüschen et al., 2020) und in der Schweiz können circa 800’000 Menschen nicht richtig lesen oder schreiben (Notter et al., 2006). Die Betroffenen sind durch ihre geringe Lese- und Schreibkompetenz gravierend in ihrem Leben benachteiligt, beispielsweise hinsichtlich ihrer Gesundheit oder beruflichen Chancen (Schrader, 2015). Angebote der Erwachsenenbildung sollen daher «kompensatorisch wirken und auf vielfältige Weise durch nachholendes Lernen Teilhabe-Möglichkeiten (…) fördern» (Egloff, 2010, S. 203).
Wer sich jedoch mit geringer Literalität weiter auseinandersetzt, stellt fest, dass sowohl die Ursachen der niedrigen Lese- und Schreibkompetenzen als auch die bildungsgeschichtlichen, kulturellen und demografischen Hintergründe der betroffenen Menschen stark divergieren (Stammer & Buddeberg, 2020). Das didaktische Prinzip der Individualisierung versucht daher, Lernende nicht als einheitliche Gruppe zu betrachten, die mit einem standardisierten Vorgehen zum gleichen Ziel gelangen sollen. Stattdessen werden die Lernenden als Subjekte anerkannt, die ihre eigenen Ziele verfolgen und die vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Bildungsgeschichte, Kultur, Interessen und Fähigkeiten betrachtet werden sollten (Peuker et al., 2022).
Individualisierung hat in der Alphabetisierung und Grundbildung1 schon lange Tradition, denn die Lernmotivation der Teilnehmenden ist in vielen Fällen die treibende Kraft für die Teilnahme. Die Motivation ist daher zentral für den Lernerfolg und kann durch individualisierte Lehr-Lern-Prozesse gefördert werden. Einer der Grundpfeiler der Individualisierung bildet dabei die Auswahl von passenden Lehr-Lern-Materialien. Dies ist jedoch nicht ohne Weiteres umzusetzen: Individualisierte Lehr-Lernangebote benötigen einen hohen Einsatz von zeitlichen und personellen Ressourcen. Diese können Lehrkräfte von Alphabetisierungskursen, die ihrer Tätigkeit häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen nachgehen (Hubertus, 2022), jedoch nur selten aufbringen.
Neue Technologien können die Individualisierung von Lehr-Lern-Angeboten vereinfachen, indem sie zum einen Arbeit abnehmen und so die zeitlichen Ressourcen für Individualisierung erst schaffen. Zum anderen können intelligente digitale Tools einen Mehrwert bringen, indem sie beispielsweise relevante Merkmale der Lernenden (z.B. den aktuellen Stand der Kompetenzen) automatisiert erkennen, die Aufmerksamkeit von Lehrkräften und Lernenden gezielt lenken oder individuell passende Lernmaterialien bereitstellen.
Dieser Beitrag stellt dar, wie Individualisierung in Alphabetisierung und Grundbildung gestaltet werden kann. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die individualisierte Auswahl und Verwendung von Sprachlernmaterial gelegt. Das Beispiel der Suchmaschine KANSAS demonstriert, auf welche Weise Individualisierung technologisch gestützt leichter gelingen kann. Abschliessend erörtert der Beitrag die Risiken und Herausforderungen von digital gestützter Individualisierung und thematisiert, wie diesen begegnet werden kann.
Individualisierung in Alphabetisierung und Grundbildung – eine Einführung
Um Individualisierungsmöglichkeiten in Alphabetisierung und Grundbildung abzubilden, wird zunächst der Blick auf die besonderen Voraussetzungen der Lernenden gerichtet. Anschliessend wird erörtert, wie Individualisierung im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung zum einen auf der Ebene der Bildungsangebote und zum anderen auf der Ebene der Lehr-Lern-Prozesse gestaltet werden kann – mit besonderem Augenmerk auf dem verwendeten Sprachlernmaterial.
Die Zielgruppe: Lernende mit geringer Lese- und Schreibkompetenz
Die Gruppe der Lernenden im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung zeichnet sich durch eine grosse Heterogenität und sehr unterschiedliche (Lern-)Biografien aus, wie diverse kulturelle und bildungsgeschichtliche Hintergründe (Stammer & Buddeberg, 2020) und prägende, oft negative Erfahrungen in der Schulzeit (Mania, 2021). Lernende mit geringer Lese- und Schreibkompetenz sind meist nicht mehr gewohnt, systematisch zu lernen und unterscheiden sich häufig erheblich bezüglich ihres jeweiligen Lerntempos (Döbert, 2020). Sie sind zudem oft durch anderweitige Problemlagen in ihrem Alltag beeinflusst, die während der Kurszeit häufig zusätzlich thematisiert werden. Hier ist eine Verknüpfung von alltagsnahen Themen mit schriftsprachlichem Kompetenzerwerb hilfreich, was sich positiv auf die Lernmotivation der Lernenden auswirkt. Die Komponenten des Motivationsmodells nach Deci und Ryan (2008) – Erfahren und Erleben von Kompetenz, Autonomie, Selbstwirksamkeit und soziale Eingebundenheit – sind dabei ein wichtiger Motor für die Lernmotivation (Frey, 2017). Bei Lernenden mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen spielt die Förderung der Motivation aufgrund ihrer oft von Frustration geprägten (Lern-)Biografie eine besonders wichtige Rolle und sollte im Lernsetting individuell berücksichtigt werden.
Möglichkeiten der Individualisierung in Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten
Individualisierte Lernangebote eröffnen eine breite Palette von Möglichkeiten, den Lernenden Wertschätzung und Unterstützung entgegenzubringen (Lachnit, 2020). Im Folgenden werden einige Ansätze auf der Ebene der Bildungsangebote sowie der Ebene der Lehr-Lern-Prozesse und hier insbesondere der Sprachlernmaterialien beschrieben.
Ebene der Bildungsangebote
Eine Möglichkeit für ein stark individuell ausgerichtetes Bildungsangebot ist das LernCafé oder der Lern-Treff. Dieses Format findet immer zur gleichen Zeit am gleichen Ort statt, während eine Lernbegleitung die Anwesenden betreut. Die Lernenden entscheiden selbst, ob sie kommen und was sie vor Ort machen möchten. Mit der anleitenden Person vor Ort können sie Lernziele vereinbaren und Fragen klären. Durch die Regelmässigkeit der Angebote entsteht eine Gruppe der Lernenden, was das Erleben von sozialer Eingebundenheit ermöglicht. Kompetenzerleben als entscheidender Motivationsfaktor wird durch Gespräche mit der Lernbegleitung und anderen Lernenden gestärkt und unterstützt. Hierdurch werden die eigene Entwicklung und stetige Veränderung der Lernziele sichtbar. Durch die Offenheit des Angebots wird das Bedürfnis der Lernenden nach Autonomie erfüllt (Schulte-Hyytiäinen, 2010). Neben solchen Präsenzformaten eröffnen auch diverse Online-Lernangebote im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung neue Möglichkeiten der Individualisierung des Lernens. Voraussetzung für die Nutzung dieser Angebote ist jedoch die Fähigkeit, (unter Anleitung) selbstgesteuert lernen zu können. Ein weiterer Grundpfeiler individualisierter Angebote ist die Lebensweltorientierung (Peuker et al., 2022). Lebensweltlich orientierte Lehr-Lern-Formate holen die Personen mit geringer Lese- und Schreibkompetenz eher dort ab, wo sie sind/leben. So fühlen sie sich zugehörig und sozial verbunden. Um die Säulen der Motivation im Lernangebot zu berücksichtigen, ist jedoch ein hohes Mass an pädagogischer und situativer Kompetenz der Lehrkräfte in der Lehr-Lern-Situation notwendig.
Ebene der Lehr-Lern-Prozesse
Dadurch, dass die Lehrkraft fortlaufend individuelle Ausgangsbedingungen berücksichtigt und das Lernangebot entsprechend anpasst, fühlen sich die Teilnehmenden in ihrer Person wahrgenommen und können leichter eine tragfähige Beziehung zur Lehrkraft aufbauen, was das Vertrauen erhöht und die Kommunikation flüssiger macht. Durch das Berücksichtigen von persönlichen Interessen steigen die Selbstregulation und intrinsische Motivation der Lernenden (Witthaus et al., 2003), sodass diese auch bei Schwierigkeiten nicht gleich aufgeben. Die Individualisierung hinsichtlich der Fähigkeiten der Lernenden trägt zudem dazu bei, die Lernenden weder zu unter- noch zu überfordern, da sie sich im optimalen Schwierigkeitsbereich bewegen (Kholin & Kupka, im Druck). Die Lehrkraft erfüllt hier, im Vergleich zu klassischem Frontalunterricht, eher die Rolle einer Lernbegleitung oder -beratung (Frey, 2017; Schulte-Hyytiäinen, 2010).
Das Lernsetting sollte sich deutlich von prägenden (negativen) Erfahrungen aus der Schulzeit unterscheiden. Ist diese Abgrenzung gelungen, nimmt der Beziehungsaufbau zwischen den Lernenden untereinander und zwischen Lernenden und Lehrkraft viel Zeit und Energie in Anspruch. Die Anpassung der Lerninhalte an die individuellen Interessen der Lernenden und der Fokus auf erwachsenengerechte und alltagsnahe Themen tragen zum Vertrauensaufbau und zur Lernmotivation bei.
Neben der thematischen Anpassung der Sprachlerntexte ist die Suche nach Texten mit dem passenden sprachlichen Niveau ausschlaggebend für das erfolgreiche Lesen- und Schreiben-Lernen. Gelingt es, bei der Auswahl der Texte das geeignete Schwierigkeitslevel und die spezifischen grammatikalischen Konstruktionen, bei denen es Verbesserungsbedarf beim jeweiligen Lernenden gibt, auszuwählen, kann die schriftsprachliche Entwicklung optimal gefördert werden.
Herausforderungen der Individualisierung an Bildungsorganisationen und Lehrkräfte
Individualisierung von Lehr-Lern-Prozessen ist für die Lernenden mit vielen Vorteilen verbunden. Für die Lehrkräfte ist die Umsetzung jedoch herausfordernd. Auf einzelne Lernende einzugehen, erfordert unter anderem umfangreiche diagnostische, zwischenmenschliche und didaktische Kompetenzen. Darüber hinaus braucht es einen grossen Fundus an verschiedenen Lehr-Lernmaterialien und pädagogischen Methoden sowie genügend Zeit und Musse für die Auswahl der jeweils passenden pädagogischen Herangehensweise. Zusammengefasst kostet eine gut umgesetzte Individualisierung die Lehrkräfte zeitliche, materielle und – das ist nicht zu vernachlässigen – geistige und emotionale Ressourcen. Gerade die Emotionsarbeit, die nötig ist, um auf die individuellen Schwierigkeiten einzugehen, stellt einen Risikofaktor für Burnout und Erschöpfung dar (Zapf et al., 2001), insbesondere, wenn die organisationale Unterstützung als gering wahrgenommen wird (Zapf, 2002). Aber auch die rein zeitliche Belastung ist nicht zu vernachlässigen: Viele Lehrkräfte arbeiten auf Honorarbasis und werden für die Vor- und Nachbereitung von Stunden nicht bezahlt (Christ et al., 2019).
In Bezug auf die Auswahl von passenden Sprachlerntexten zeigt sich zudem eine weitere Problematik: Für eine individualisierte Auswahl kann nicht einfach ausschliesslich auf standardisierte Lehrwerke und Curricula zurückgegriffen werden, weil diese unmöglich das gesamte Interessenspektrum der Lernenden abdecken können. Ein grosser Teil der Lehrkräfte gibt daher an, regelmässig Texte im Internet zu recherchieren (Schneider, 2019). Diese Vorgehensweise bringt jedoch meist eine Unsicherheit in Bezug auf die Urheberrechte und Nutzungsbedingungen der Texte mit sich. Über gängige Suchmaschinen ist es zudem nicht möglich, nach verschiedenen sprachlichen Kompetenzniveaus zu suchen. Das durchschnittliche Sprachniveau von Textmaterial, das im Internet zu finden ist, ist dabei häufig zu komplex für den Alphabetisierungs- und Grundbildungskontext (Dittrich et al., 2019). Lehrkräfte wünschen sich, im Internet recherchierte Texte an die Bedürfnisse der Lernenden anpassen zu können (Mayer et al., 2023), was jedoch zeitaufwändig ist und mit den genannten Schwierigkeiten bei der Identifikation der Lizenzierung einhergeht. Um Individualisierung von Sprachlerntexten für Lehrkräfte einfacher zu machen, braucht es daher neue Lösungen. Im kommenden Abschnitt wird daher ein innovatives digitales Tool zur Recherche von individuell passenden Sprachlerntexten vorgestellt.
KANSAS – eine Suchmaschine zur Individualisierung von Sprachlerntexten in Alphabetisierung und Grundbildung
Digitale Technologien werden in allen Lebensbereichen immer wichtiger. Auch in der Bildung kommen sie mehr und mehr zum Einsatz, um Lernangebote zu gestalten und durchzuführen. Das Potenzial digitaler Tools, Individualisierung zu fördern, besteht im Wesentlichen durch Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen, die ohne die Technologie viel zu zeitaufwändig wären. Digitale Tools können entweder individualisiert auf den jeweils Lernenden reagieren oder Lehrkräften die zeitlichen Ressourcen für individuelle Zuwendung ermöglichen.
Im Alphabetisierungs- und Grundbildungsbereich gibt es bereits diverse zielgruppenspezifische digitale Lernangebote. Ein Beispiel ist KANSAS, eine intelligente Suchmaschine für Sprachlerntexte. KANSAS2 ist eine frei zugängliche Suchmaschine für authentische Sprachlerntexte und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Dekade für Alphabetisierung seit 2017 gefördert. KANSAS ist in Zusammenarbeit des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) mit der Eberhard Karls Universität Tübingen und dem Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln entstanden.
Die Suchmaschine KANSAS bietet verschiedene Suchoptionen (Weiss et al., 2018). So gibt es eine Websuche, die auf die gesamten Inhalte des Internets zurückgreift, eine eingeschränkte Websuche, die eine Auswahl bestimmter Webseiten in leichter und einfacher Sprache berücksichtigt, und die Suche im sogenannten Alphakorpus. Der Alphakorpus ist eine Datenbank mit voranalysierten und frei lizenzierten Sprachlerntexten. KANSAS bietet die Möglichkeit, die anhand eines Schlagworts gesuchten Ergebnisse anhand sprachlicher Eigenschaften zu sortieren. Die Auswahl des Schwierigkeitslevels (vgl. Heinemann, 2011) bestimmt die globale sprachliche Komplexität der aus der Recherche hervorgehenden Texte. Zudem können spezifische grammatikalische Konstruktionen ausgewählt oder ausgeschlossen werden. Beim Klick auf ein Suchergebnis wird der Text in einer Zusammenfassung angezeigt und die sprachlichen Eigenschaften (globale Komplexität, Anzahl der Sätze und Wörter) angezeigt. Zudem werden die ausgewählten grammatikalischen Konstruktionen farblich im Text hervorgehoben, sodass die Lehrkraft auf einen Blick sehen kann, ob sich der Text sprachlich für das jeweilige Lernziel eignet. Im Alphakorpus kann neben der Schlagwortsuche auch nach grundbildungsbezogenen Themenkategorien gesucht werden. Die ausgewählten Texte können kopiert und exportiert werden, die Sucheinstellungen lassen sich mittels eines Links teilen. Eine weitere Funktion der Suchmaschine ist die sprachliche Analyse von (selbstgeschriebenen) Texten.
Die Sucheinstellungen lassen sich durch die Lehrkräfte leicht anpassen und ermöglichen so, dass in kurzer Zeit für jede/n Lernende/n ein passender Text zu einem bestimmten Thema gefunden werden kann. Soll mit der gesamten Gruppe der Lernenden ein sprachliches Thema behandelt, aber die thematischen Vorlieben jeder/s Lernenden berücksichtigt werden, kann die Lehrkraft dies mit wenigen Änderungen der Sucheinstellungen durchführen – und erhält für jede/n Lernende/n einen eigenen Text.
Im Rahmen einer qualitativen Befragung von Lehrkräften wurde KANSAS als intuitiv bedienbares Tool bewertet (Kholin et al., 2019). Eine aktuelle Evaluationsstudie zur Suchmaschine (Mayer et al., 2023) zeigte zudem, dass KANSAS im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung von Lehrkräften als nützlich wahrgenommen wird. Auf Basis der Beurteilungen zweier unabhängiger Sprachdidaktikerinnen waren die meisten Teilnehmenden in der Lage, auf KANSAS einen Text mit geeignetem Inhalt zu finden, den Text sinnvoll in einen Unterrichtsentwurf zu integrieren und die Textrecherche an die erforderliche globale Komplexität und grammatikalische Struktur anzupassen. Diese Studienergebnisse weisen darauf hin, dass Lehrkräfte durch die spezifischen Suchfunktionen passgenaue Texte für die individuellen Bedürfnisse der Lernenden herausfiltern und so die Lernenden individuell ansprechen und gezielt fördern können. Ausserdem erleichtert die transparente Angabe der Lizenzen die Recherchearbeit für jeden einzelnen Text, sodass mehr Zeit für die Zuwendung zu den Lernenden bleibt.
Die Suchmaschine kann Lehrkräfte durch die passende Textauswahl dabei unterstützen, das Streben nach Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit der Lernenden zu fördern. Durch die Auswahl von Sprachlernmaterial im passenden Schwierigkeitsgrad kann das Kompetenzerleben der Lernenden gestärkt werden. Durch die individuelle Themenauswahl und selbstgesteuerte Arbeitsphasen können die Lernenden Autonomie erfahren. Gemeinsame inhaltliche und grammatische Themen lassen die Lernenden zudem die soziale Eingebundenheit in der Gruppe erleben.
Herausforderungen und Hürden
Allen Potenzialen und Vorteilen innovativer digitaler Technologien im Bildungskontext stehen jedoch auch Herausforderungen und Risiken gegenüber. Grundlegend werfen digitale Tools, die mit den Daten der Nutzenden interagieren, Fragen des Datenschutzes auf. Im Fall KANSAS ist dies bisher unproblematisch, da Lehrkräfte niedrigschwellig, ohne beispielsweise einen Account anlegen zu müssen, auf die webbasierte Suchmaschine zugreifen können und keine persönlichen Daten preisgeben müssen.
Eine weitere Hürde für den flächendeckenden Einsatz digitaler Tools und Medien sind zudem die häufig ambivalenten Einstellungen vieler Lehrkräfte zu digitalen Medien (Rohs et al. 2020), vor allem auch im Alphabetisierungs- und Grundbildungskontext (Janssen & Leber, 2020). Gleichzeitig gewinnen jedoch vor dem Hintergrund der rasanten technologischen Entwicklung digitale und mediendidaktische Kompetenzen in der Bildungspraxis an Bedeutung. Hier kommt es besonders auf die digitale, mediendidaktische und pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte an, welche durch spezifische Schulungen unterstützt werden kann.
Eine nicht zu vernachlässigende Hürde für den Einsatz digitaler Tools zur Individualisierung in Alphabetisierung und Grundbildung stellt ausserdem die teilweise unzureichende technologische Ausstattung vieler Bildungsinstitutionen, aber auch der Lernenden selbst dar. Ohne die entsprechende Hardware und eine gute Internetverbindung wird auch das beste digitale Tool keinen zusätzlichen Nutzen bringen können.
Resümee und Ausblick
Die Bedeutung von Individualisierung nimmt auch in der Alphabetisierung und Grundbildung zu. Lernangebote werden immer stärker an den individuellen Bedürfnissen der Lernenden ausgerichtet und das Lernmaterial dementsprechend angepasst. Dies dient der Förderung der Lernmotivation und dem damit verbundenen Ziel, besser Lesen und Schreiben zu lernen. Um Lernangebote individuell anzupassen, ist die Auswahl der Lernmaterialien zentral. Demnach kommt der Lehrkraft eine veränderte Rolle zu. Sie gestaltet ihre Lernangebote zunehmend bedürfnisorientiert und wählt die Inhalte individuell aus. Diese Vorgehensweise setzt voraus, dass sie die Lernenden gut kennt, eine Beziehung zu ihnen aufgebaut und Vertrauen gewonnen hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann sie die Lernenden dabei begleiten, ihre persönlichen Ziele zu erreichen, und sie beim Lesen- und Schreiben-Lernen unterstützen. Durch innovative digitale Tools, wie die Suchmaschine KANSAS, kann die Lehrkraft Lerninhalte ressourcenschonender zusammenstellen. Durch die gezielte Auswahl und Zusammenstellung der Lerninhalte stehen zudem individuelle Lernziele deutlicher im Fokus. Technologische Innovationen können Lehrkräfte bei der veränderten Erfüllung ihrer Rolle unterstützen und gehen auf die veränderten Anforderungen ein, kreieren aber auch gleichzeitig neue Herausforderungen. Digitale Technologien im Bildungskontext, wie die Suchmaschine KANSAS, müssen so gestaltet sein, dass sie Lehrkräfte bei der Individualisierung ihrer Lernangebote durch Arbeitserleichterung unterstützen und keine zusätzliche Last bedeuten. Nicht nur die individuellen Bedürfnisse der Lernenden sollten im Fokus stehen, sondern auch die Bedürfnisse und Bedarfe der Lehrkräfte bei der Gestaltung von Lernangeboten für besonders heterogene Gruppen. Besonders relevant sind in diesem Zusammenhang effektive Schulungsangebote für Lehrkräfte, nutzerorientierte und intuitiv zu bedienende Tools sowie der einfache Zugang zu freien Bildungsmaterialien. Auf diese Weise kann die Individualisierung in Alphabetisierung und Grundbildung technologisch gestützt gut gefördert werden.
- Darunter werden hier zusammenfassend alle Angebote, welche auf die Verbesserung von basalen Lese- und Schreibkompetenzen für Erwachsene sowie die Vermittlung von gesellschaftlich relevantem Basiswissen ausgerichtet sind, verstanden.
- kansas-suche.de
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