Diversität
Der Umgang mit Diversität gehört derzeit zu den meistdiskutierten gesellschaftlichen Themen. Verhandelt wird dabei der Anspruch, Vielfältigkeit zuzulassen, sichtbar zu machen oder aktiv zu fördern. Ziel dieses normativen Anspruchs ist meist eine inklusivere, gerechtere Gesellschaft. Diese Ausgabe der EP widmet sich der Frage, was Diversität in der Erwachsenen- und Weiterbildung bedeutet und wie sie in der Praxis gelebt wird, wobei das Augenmerk auf inklusiven Perspektiven liegt.
Die Frage, wie mit Vielfalt umgegangen werden soll und kann, stellt sich in der Erwachsenenbildung seit ihren Anfängen. Eine lange Tradition hat die Beschäftigung mit Vielfalt insbesondere in Bezug auf die Heterogenität der Zielgruppen sowie die methodisch-didaktischen Konzepte. Weniger beachtet und kaum erforscht wurde bisher die Frage, wie auf organisationaler Ebene, in der Programmentwicklung oder in der Professionalisierung und Personalentwicklung mit Diversität umgegangen wird.
Diese Ausgabe der EP legt den Schwerpunkt auf die organisationale Ebene. Sie geht der Frage nach, welche Ansprüche ein inklusiver Umgang mit Diversität an die Weiterbildung stellt, welche Rahmenbedingungen dies erfordert und wie Diversität in der Weiterbildungspraxis gelebt und wahrgenommen wird.
Wie Silke Schreiber-Barsch aufzeigt, umfasst der Begriff «Diversität» ein «komplexes semantisches Geflecht aus Schlagwörtern wie Heterogenität, Differenz, Integration oder auch Inklusion»; Begriffe, die in Wissenschaft, Praxis und Politik mit sehr unterschiedlichen Konzepten und Diskursen verknüpft sind. Die Autorin skizziert die historischen Hintergründe und benennt Orientierungslinien sowie Spannungsfelder im Umgang mit Diversität.
Ulla Klingovsky und Georges Pfruender geben Einblick in das Analyse- und Interventionsverfahren der «Critical Diversity Literacy». Ziel dieses Ansatzes ist es, Normalitätsordnungen zu stören und Ausschluss- oder Diskriminierungsmechanismen aufzuspüren, um Veränderungen in den Organisationen anzustossen. Stefanie Ernst untersucht Spannungsfelder und Paradoxien diversitätsorientierter Organisationsentwicklung und zeigt anhand empirischer Befunde, mit welchen Fragen und Konflikten Weiterbildungsorganisationen dabei konfrontiert sind. Bei Nicole Kimmelmann steht das Bildungspersonal im Zentrum. Sie skizziert die Ergebnisse einer Studie zu Kompetenzanforderungen von Lehrenden für einen inklusiven Umgang mit diversen Zielgruppen; darauf gestützt formuliert sie Implikationen für die Personal- und Organisationsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen.
Weitere Beiträge geben Einblick in den Umgang mit Diversität in der Weiterbildungspraxis. Sonja Dudek und Carolin Hagelskamp zeigen am Beispiel der Berliner «Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung», wie Diversity-Schulungen für Fachleute aussehen können. Robert Reissner gibt Einblick in den Entwicklungsprozess der Volkshochschule Leipzig zu einer diversitätssensiblen Einrichtung. Daniela Frau berichtet von der Umsetzung von Diversity-Management-Praktiken an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.
Zwei Beiträge legen den Akzent auf das Differenzmerkmal «Behinderung». Olivier Steiner und Fabienne Kaiser geben Einblick in die Resultate des Forschungsprojektes «Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der beruflichen Bildung». Daphna Paz und Noémie Maibach berichten aus dem Pilotprojekt «Weiterbildung inklusiv»; diese Initiative will Weiterbildungsakteure dabei unterstützen, ihre Angebote auch für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich zu gestalten.
Kajo Wintzen schliesslich gibt Einblick in die Arbeit mit einem poesiepädagogischen Ansatz im Bereich Grundkompetenzen. Ziel dieser poetischen Interventionen ist es, die kulturelle und persönliche Identität von Menschen, die mit gesellschaftlicher Ausgrenzung konfrontiert sind, zu stärken.