Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Volkshochschulen: Vom Programmangebot zur nachhaltigen Organisationsentwicklung
Volkshochschulen sind zentrale BNE-Akteure in Deutschland. Durch ihr breites Programmangebot und vielfältige Zielgruppen sind sie in der Lage, breite Teile der Bevölkerung zu erreichen. Um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, muss BNE an Volkshochschulen als gesamtinstitutionelle Aufgabe angenommen werden. Erstens muss BNE auf der Ebene der Programmplanung als fachbereichsübergreifendes Querschnittsthema verankert werden. Zweitens sind die Einrichtungen gefordert, sich im Sinne eines Whole Institution Approach strukturell als nachhaltig arbeitende Bildungsakteure zu positionieren. Dieser Beitrag beleuchtet den Stand der Verankerung von BNE an Volkshochschulen in Deutschland, identifiziert strukturelle Hemmnisse und stellt mögliche Hebel für Lösungen auf lokaler und verbandlicher Ebene dar.
I. BNE und die Rolle der Erwachsenenbildung
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) spielt eine zentrale Rolle für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation unserer Gesellschaft. Die Vereinten Nationen heben dies in Ziel 4 der Agenda 2030 explizit hervor. Dieses hält fest, dass «alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben» sollen.
Mit der expliziten Adressierung aller Lernenden wird die Bedeutung des Lebenslangen Lernens für die Erreichung der Agenda 2030 betont. Auf dem Weg der Transformation zu einer nachhaltigeren Gesellschaft kommt damit der Erwachsenenbildung aufgrund ihrer interdisziplinären Ausrichtung, ihrer Inhalts- und Methodenvielfalt, ihrer Orientierung an den Interessen und Bedarfen der Zielgruppe und ihrer Offenheit für alle Menschen eine entscheidende Rolle zu. Dabei birgt besonders die Heterogenität der Teilnehmendenschaft ein enormes Potenzial: Personen aus unterschiedlichen sozio-demografischen Verhältnissen und unabhängig von Alter, Bildungsabschluss und Beruf kommen in den Bildungsformaten der Erwachsenenbildung zusammen und können – bei richtiger didaktischer Ausrichtung – das Lerngeschehen aktiv mitsteuern. In Einrichtungen wie den Volkshochschulen werden dadurch nicht nur reines Wissen und Fähigkeiten vermittelt – vielmehr können Teilnehmende durch transformative Bildung für eigenverantwortliches Handeln sensibilisiert werden und im Sinne der Handlungsorientierung gemeinsam Lösungen für lokale Probleme und konkrete Herausforderungen finden.
In Volkshochschulen stehen Nachhaltigkeitsthemen seit Jahrzehnten im Rahmen der «klassischen» Umweltbildung auf der Agenda. Der Ansatz der BNE ist aber weitaus breiter und ganzheitlich angelegt; er umfasst auch Fragen des (globalen) gesellschaftlichen Zusammenhalts, sozialer (Un-)Gleichheit und Geschlechtergerechtigkeit, um nur einige Bereiche zu nennen. Es ist also nicht «nur» die klassische Umweltbildung gefordert, sondern auch die politische, kulturelle und berufliche Bildung gefragt, BNE in die eigene Arbeit zu integrieren. Breit aufgestellte Akteure wie die Volkshochschulen können einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten und stehen entsprechend in der Verantwortung, BNE als Querschnittsthema in das eigene Programmangebot zu integrieren. Zunehmend fliessen Elemente der BNE in alle Fachbereiche der Volkshochschulen ein.
BNE setzt aber nicht nur auf der Ebene des Programmangebots an, sondern sieht auch die systemische Verankerung von Nachhaltigkeit in der Organisation als elementar für die Vermittlung einer nachhaltigen Lebens- und Arbeitsweise an. In der Roadmap «BNE für 2030» unterstreicht die UNESCO, dass sich Bildungsinstitutionen im Sinne einer Vorbildfunktion als gesamte Institution an Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten sollten. Denn indem Erwachsenenbildungseinrichtungen eine nachhaltige und zukunftsfähige Ausrichtung nach aussen repräsentieren, können sie als authentische Vorbilder für Teilnehmende, politische Vertreter*innen und lokale Akteur*innen wahrgenommen werden. Ein solcher Prozess der nachhaltigen Organisationsentwicklung (engl. Whole Institution Approach) erfährt verstärkt Anwendung in deutschen Volkshochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung.
II. Die Volkshochschulen als BNE-Akteure
Im Bereich der Erwachsenenbildung sind wesentlich auch die Volkshochschulen zunehmend gefordert, ihren Bildungsauftrag in der BNE wahrzunehmen und ihrem selbst formulierten Anspruch, «Orientierung im gesellschaftlichen Wandel» (DVV 2011, S. 25) zu bieten, gerecht zu werden.
Aufgrund ihrer mehrheitlich kommunalen Verankerung und der flächendeckenden Präsenz nehmen die über 850 Volkshochschulen in Deutschland eine besondere Position in der (Weiter-)Bildungslandschaft ein. Sie sind als Akteure der allgemeinen Erwachsenenbildung Teil der kommunalen Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger und bilden eine Schnittstelle zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft. Diese Arbeit wird flankiert und unterstützt durch die verbandliche Struktur mit 16 vhs-Landesverbänden und dem vhs-Dachverband DVV auf Bundesebene. Dieses System schafft Vernetzung und fachlichen Austausch und ermöglicht die abgestimmte politische Interessenvertretung auf lokaler, landes- und bundesweiter Ebene.
Das strukturelle Potenzial, gesellschaftlich drängende Themen wie die Frage nach der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und der dafür notwendigen Transformation breiten Teilen der Bevölkerung zugänglich zu machen und als Orte der Vernetzung in der Kommune auch Diskussionsprozesse anzustossen und zu begleiten, ist vor diesem Hintergrund vorhanden – und es wird genutzt: In den vergangenen Jahren treten Volkshochschulen auf kommunaler Ebene verstärkt als BNE-Akteure auf und werden auch als solche wahrgenommen. Vielerorts bestehen enge Arbeitsstrukturen mit örtlichen Klimamanager*innen der Kommunen und sie agieren als Vertreter*innen der Erwachsenenbildung in runden Tischen und Arbeitskreisen der Regionen. Auch für die Zivilgesellschaft werden sie als wichtige Netzwerkpartnerinnen im Kontext der BNE erkannt, denn sie öffnen Interessen- und Umweltverbänden sowie lokalen Initiativen die Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erreichen.
Gleichzeitig bestehen Hemmnisse, die die Entfaltung des vollen Potenzials der vhs-Arbeit im Bereich BNE erschweren. Eine eher historisch gewachsene und systemimmanente Hürde ist das nach wie vor dominierende Denken in der Logik klar getrennter Fachbereiche der Volkshochschulen, wobei Nachhaltigkeitsthemen häufig dem Bereich politische Bildung zugeordnet und als klassische Umweltbildung aufgefasst werden. Dies erschwert die Verankerung von BNE als Querschnittsaufgabe der gesamten Einrichtung. Zudem stehen die Volkshochschulen und ihre Verbände selbst vor der Herausforderung, angesichts der aktuellen Unsicherheiten – genannt seien die unsichere Haushaltslage ebenso wie der Fachkräftemangel – nicht nur den laufenden Betrieb zu sichern, sondern gleichzeitig auch die eigene Organisation zukunftssicher aufzustellen. Förderpolitisch besteht hier die Schwierigkeit, dass Finanzierungen oftmals nicht dauerhaft, sondern projektbezogen erfolgen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders herausfordernd, Querschnittsthemen wie BNE in den Strukturen der Einrichtungen und auf Verbandsebene dauerhaft zu etablieren und mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten.
Ein zentraler Hebel, wie diesen Herausforderungen begegnet werden muss, ist die politische Rahmensetzung. Beispielhaft sei hier das Bundesland Nordrhein-Westfalen genannt, das BNE über eine Novellierung des Weiterbildungsgesetzes 2022 als explizite Aufgabe im Pflichtangebot der Volkshochschulen verankerte. Solche Rahmensetzungen erzeugen auf der einen Seite Handlungsdruck bei den Volkshochschulen und erleichtern auf der anderen Seite Finanzierungszusagen auf Kommunal- und Landesebene. In Nordrhein-Westfalen konnte so seit 2022 eine im vhs-Landesverband verankerte Fach- und Koordinationsstelle BNE aufgebaut werden. Ein Ziel der verbandlichen Lobbyarbeit ist es, nach diesem Vorbild BNE flächendeckend in allen Weiterbildungsgesetzen der Länder zu verankern.
Die systemische Verankerung von BNE als Leitprinzip in der eigenen Organisation ist eine zusätzliche Herausforderung, die über die Ebene des Programmangebots der Volkshochschulen weit hinausgeht. Auf diesem Gebiet steht die Entwicklung noch am Anfang, sie ist aber zentral im Hinblick auf die zukunftsfähige Ausrichtung von vhs als Weiterbildungseinrichtungen. Über ein Pilotprojekt, koordiniert durch den DVV, ist es zuletzt gelungen, wichtige Schritte in diesem Bereich zu gehen. Wir möchten im Folgenden näher auf diesen Projektansatz eingehen.
III. Nachhaltige Organisationsentwicklung in der Erwachsenenbildung
Eine Erwachsenenbildungsorganisation ist viel mehr als nur ein Ort des Lehrens und Lernens: Sie fungiert als «dritter Ort», als Begegnungsstätte, als kommunale und regionale Netzwerkpartnerin und nicht zuletzt als Arbeitgeberin. Die Transformation der eigenen Organisation auf all diesen Ebenen ist das erklärte Ziel des Handlungsfeldes 2 der UNESCO-Roadmap «BNE für 2030» und stellt damit einen politischen Referenzrahmen für die (kommunale) BNE-Arbeit dar. Wie aber kann eine ganzheitliche nachhaltige Ausrichtung im Sinne der Nachhaltigkeit (engl. Whole Institution Approach – WIA) in der Erwachsenenbildung gelingen?
Das Institut für Internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschul-Verbands e.V. hat sich im Rahmen eines vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts dieser Frage gewidmet. In der transnationalen Initiative «Internationale BNE-Allianzen» haben zwölf Einrichtungen der Erwachsenenbildung aus sieben Ländern zusammen mit Expert*innen der BNE und der Organisationsentwicklung verschiedene Umsetzungen erprobt und Chancen und Herausforderungen identifiziert. Die Erfahrungen dieses dreijährigen Action-Research-Projekts wurden gebündelt und zu einem zweigliedrigen Modell eines Whole Institution Approachs für die Erwachsenenbildung aufgearbeitet.1 Die wichtigsten Erkenntnisse möchten wir hier in Kurzform präsentieren:
Was ist ein WIA?
Kurz gefasst: Eine Bildungsorganisation, die sich ganzheitlich nachhaltig ausrichtet, wird von Teilnehmenden und Netzwerkpartner*innen als authentische Vermittlerin wahrgenommen und verstärkt im Gegenüber die Bestrebungen, Nachhaltigkeit selbst authentisch zu leben. Das Credo «Teach what you live» (also: «Lehre, was du selbst lebst.») ist hierbei entscheidend. Im Umkehrverhalten kann sonst die Handlungsorientierung auf der Strecke bleiben: Angebote zu klimagerechtem Konsum oder Wohnen werden konterkariert von einem hohen Mass an Einmalplastik, hohen Gebäudeemissionen oder klimaschädlichen Produkten in der Cafeteria. Der Whole Institution Approach stellt einen Ansatz dar, dieser «Doppelmoral» entgegenzuwirken und Handlungsspielräume für die eigene nachhaltige Entwicklung zu identifizieren.
An Erwachsenenbildungseinrichtungen sind Themen der Nachhaltigkeit nicht neu: Vielerorts sind bereits Massnahmen erfolgt, um Emissionen zu reduzieren oder Einkaufs- und Beschaffungswesen umzustellen. Der WIA stellt ein Instrument dar, diese vereinzelten oder punktuellen Umsetzungen in eine Struktur zu giessen und einen systematischen Prozess aufzusetzen. Er ist damit eng verknüpft mit Qualitätsmanagementprozessen und summiert sich im Konzept einer «lernenden Organisation». Damit eine Organisation aber als Gesamtheit «lernt», ist es wichtig, alle Mitarbeitenden in diesen Partizipationsprozess mit einzubinden und Teilhabe auf Augenhöhe zu ermöglichen. Der WIA beschäftigt sich mit allen Dimensionen der Nachhaltigkeit – also auch der sozialen Komponente und Fragen der Gleichstellung, Mitarbeiterpartizipation etc. Daher ist eine aktive Teilnahme der Leitungs- und Entscheidungsebenen für einen gelingenden Prozess unumgänglich.
Welche Bereiche umfasst der WIA in der Erwachsenenbildung?
Die Erwachsenenbildungsorganisation in ihrer Ganzheit zu betrachten und nachhaltig zu transformieren, bietet einen schier endlosen Handlungsraum. Um die Auswahl der ersten Ziele und Massnahmen zu erleichtern, wurde im Projekt das Modell der vier Handlungsfelder definiert, die im Rahmen eines WIA unterschieden werden können:
Im Handlungsfeld des Bildungsprogramms – dem Kerngeschäft einer Erwachsenenbildungsorganisation – ist die BNE häufig schon gut verankert. Dennoch gilt es auch hier, näher zu differenzieren, welche Teilaspekte der BNE noch ausbaufähig sind. So kann die Integration der SDGs und ihrer Themenvielfalt in neue Bereiche, z.B. Fremdsprachen oder Sport- und Gesundheitsangebote, und die damit einhergehende Frage nach geeigneten Schulungen für die Dozierenden fokussiert werden. Auch steht in diesem Handlungsfeld die Einbindung der Teilnehmenden in den Gestaltungsprozess und die Adressierung neuer Zielgruppen (z.B. durch Kooperationen) im Vordergrund.
Hier können z.B. folgende Fragen betrachtet werden:
- Wie können wir BNE stärker als Querschnittsthema in allen Angeboten implementieren?
- Was benötigen Dozierende, um BNE in ihre Angebote zu integrieren?
- Wie können wir unsere BNE-Angebote für verschiedene Zielgruppen attraktiv machen?
- Wie können wir aktiv die Mitgestaltung des Bildungsprogramms durch Teilnehmende fördern?
- Welche Kooperationen in der Region könnten unser Bildungsprogramm bereichern?
Das Management einer Erwachsenenbildungsorganisation stellt den zweiten Bereich der Umsetzungsmöglichkeiten dar. Hier steht die Transformation der Organisation «von innen» im Fokus – Stichworte wie Transparenz, interne Kommunikation, aber auch die eigenen Werte sind Arbeitsfelder in diesem Bereich. Hier können beispielsweise die Überarbeitung des eigenen Leitbilds und der Entscheidungskultur, aber auch die Schaffung von neuen Austausch- und Gestaltungsräumen für Mitarbeitende angegangen werden. Im Kern geht es in diesem Handlungsfeld darum, Teilhabe und Diversität zu fördern und die eigenen Werte auch zu leben.
Reflexionsfragen für dieses Handlungsfeld sind bspw.:
- Wo stehen unsere Werte und unser Handeln im Widerspruch?
- Ist Nachhaltigkeit als Grundprinzip in unserem Leitbild verankert?
- Besteht für alle Kolleg*innen die Möglichkeit der Teilhabe an Veränderungen/Prozessen?
- Welche Weiterbildungs-/Fördermöglichkeiten haben unsere Kolleg*innen und wie können wir diese ausbauen?
- Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in unserem Qualitätskonzept zur Erfassung der eigenen Entwicklungen?
Die Lehr- und Arbeitsumgebung stellt ein Handlungsfeld dar, in dem häufig schon punktuelle Massnahmen umgesetzt werden. Hier werden wirtschaftliche und ökologische Facetten betrachtet, wie das Gebäudemanagement, die Infrastrukturen und das Beschaffungswesen. Aber auch der Lernort als solcher steht im Fokus, in dem Fragen von Erreichbarkeit und Barrierefreiheit aufgeworfen werden. Dieses Handlungsfeld ist enorm repräsentationsstark – Massnahmen, die hier umgesetzt werden, sind direkt von Teilnehmenden und Besucher*innen erlebbar und werden als positive Beispiele nachhaltiger Entwicklung wahrgenommen.
Betrachtet werden kann z. B.:
- Berücksichtigen wir nachhaltige Kriterien im Einkauf oder in der Veranstaltungsplanung?
- Ist eine barrierefreie Nutzung des Gebäudes möglich?
- Entspricht unser Gebäudemanagement (z.B. Ressourcenverbrauch, Reinigung und Abfall) Nachhaltigkeitskriterien?
- Wie können wir die Erreichbarkeit für unsere Teilnehmenden erhöhen?
- Welche Begegnungs- und Austauschräume können wir schaffen (sowohl für Teilnehmende als auch Mitarbeitende)?
Für das vierte Handlungsfeld stehen häufig nur wenig Ressourcen zur Verfügung, dabei bildet es aber einen Kernbereich gelingender Nachhaltigkeitsarbeit: die Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit. Unter dem Motto «Tue Gutes und sprich darüber» ist ein wesentlicher Bestandteil einer BNE, die eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen und gute Praxis auch nach aussen zu tragen. Denn nur so können wir der Rolle als Vorbild auch wirklich gerecht werden. Hier geht es darum, die eigenen Bemühungen in den oben genannten Handlungsfeldern sichtbar zu machen – in Netzwerken und der Lobbyarbeit, aber auch über die Kanäle der eigenen Öffentlichkeitsarbeit.
Handlungsspielräume können sein:
- Wie können wir das Thema BNE in unseren Netzwerken stärken?
- Können wir ggfs. neue Formate oder Strukturen für das Thema BNE schaffen (z.B. Arbeitskreise, Aktionsbündnis)?
- Wie bewerben wir unsere Bildungsangebote mit nachhaltigen Themen?
- Nutzen wir nachhaltige Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit?
- Wie kommunizieren wir unsere guten Umsetzungen an unsere Dozierenden und Teilnehmenden?
Wie gelingt ein WIA in der Erwachsenenbildung?
An vielen Einrichtungen der Erwachsenenbildung finden punktuelle Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit bereits statt, häufig aber fragmentiert. Eine Erkenntnis aus dem Projekt ist daher, dass auch das prozessuale Vorgehen planvoll angegangen werden sollte. Dazu wurde ein Phasenmodell des WIA für die Erwachsenenbildung entwickelt, das aus fünf konsekutiven Phasen besteht und die eigene Umsetzung zudem anleitet.
Das Ziel ist es, einen Prozess so zu etablieren und zu festigen, dass er integraler und fortlaufender Bestandteil der eigenen organisatorischen Abläufe wird. In der ersten Initialisierungsphase steht die Etablierung der eigenen Motivation für den Prozess sowohl vonseiten der Belegschaft als auch der Leitung. An dieser Stelle muss betont werden, dass die Bereitschaft der Entscheidungsträger*innen für einen WIA-Prozess ein essenzieller Faktor für das Gelingen des Prozesses darstellt. Aus der Projekterfahrung empfiehlt sich daraufhin die Etablierung eines Kernteams, das sich für die Steuerung des Prozesses und die Einbindung der Belegschaft verantwortlich zeichnet. Auf die anschliessende «klassische» Analysephase, in der eine Bestandsaufnahme der Ist-Situation erfolgt, geht es in einer dritten Strategiephase um die konkreten ersten Umsetzungen und Massnahmen. Für die Identifizierung von Zielen kommt an dieser Stelle das eingangs beschriebene Modell der Handlungsfelder zum Einsatz. Hierfür hat sich die Durchführung eines Kick-off-Workshops und die Einbeziehung der Mitarbeitenden als ratsam gezeigt. So haben bspw. Umfragen in der Belegschaft wertvolle Umsetzungsideen oder auch Beteiligungswünsche für den Prozess hervorgebracht. In einer Umsetzungsphase erfolgt dann die konkrete Realisierung von ersten Massnahmen und die Rückkopplung an die Belegschaft. Entscheidend für einen gelingenden Prozess im Sinne einer lernenden Organisation ist der Fokus auf die Evaluationsphase, die den ersten Zyklus abschliesst und einen neuen Zyklus einleitet. Hier werden die gesteckten Ziele auf ihre Umsetzungen hin überprüft und neue Ziele gesetzt bzw. nachjustiert. Ebenso viel Zeit und Ressourcen müssen an diesem Zeitpunkt aber auch auf das Reflektieren der Prozessstrukturen gelegt werden. Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert? Welche Mitarbeitenden bzw. Perspektiven fehlen möglicherweise im Kernteam? Wie sind wir mit Herausforderungen oder nicht umsetzbaren Zielen umgegangen? Wie wollen wir in Zukunft weiterarbeiten? Raum und Zeit für solche Reflexionen zu schaffen, ist im Kern das, was eine lernende und zukunftsfähige Organisation ausmacht.
Mit dem Projekt «Internationale BNE-Allianzen» ist es gelungen, praxisnahe Hilfestellungen konkret für Volkshochschulen zu entwickeln und die Umsetzung eines solchen Organisationsentwicklungsprozesses im Rahmen von sechs Pilotierungen in Deutschland zu erproben. Die Herausforderung besteht darin, das Know-how in der Breite des vhs-Netzwerks zu verankern und Organisationsentwicklungsprozesse in weiteren Einrichtungen zu ermöglichen. Die ausgebliebene Anschlussfinanzierung des Projekts ist für dieses Ziel bedauerlich.
IV Fazit
Die Volkshochschulen in Deutschland sind wichtige BNE-Akteure auf kommunaler Ebene. Nahezu alle der rund 850 Volkshochschulen haben Fragen der Nachhaltigkeit in ihr Programmangebot aufgenommen. Eine Herausforderung auf der Ebene der Bildungsangebote bleibt es, BNE als Querschnittsthema in alle Fachbereiche zu integrieren und Planende und Kursleitende für diese Perspektive zu gewinnen. Austausch und Vernetzung auf verbandlicher Ebene sind für diesen Prozess von grossem Wert. Die Entwicklung im Bereich der nachhaltigen Organisationsentwicklung steht dagegen erst am Anfang. Die Bedeutung ist erkannt und Ansätze werden, wie das Beispiel der BNE-Allianzen zeigt, erprobt und umgesetzt. Für eine dauerhafte, flächendeckende Umsetzung nachhaltiger Organisationsentwicklungsprozesse bei den Volkshochschulen bedarf es einer verlässlichen finanziellen und personellen Absicherung der BNE-Arbeit. Um diese zu erreichen, bedarf es nicht zuletzt verbindlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen, die den Themenbereich BNE als genuine Aufgabe der Volkshochschulen definieren. Es lohnt sich, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und den bestehenden Herausforderungen energisch zu begegnen. Im lokalen Raum sind die Volkshochschulen als vermittelnde Instanzen für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation unverzichtbar.
- Alle Materialien sind verfügbar unter: https://www.dvv-international.de/ale-toolbox/organisation-und-management/guidebook-sustainabale/download-center-guidebook-sustainabale
Quellen
Deutscher Volkshochschul-Verband e.V. (Hrsg.) (2011): Die Volkshochschule. Bildung in öffentlicher Verantwortung. Bonn.
DVV International (2021): Die Rolle der Jugend- und Erwachsenenbildung im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).
DVV International (2024): Guidebook SustainabALE – Nachhaltige Organisationsentwicklung in der Erwachsenenbildung.
Maschner, H. (2023): BNE als Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge. weiter bilden – DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, 30 (2), 27–29. www.die-bonn.de/id/41804
UNESCO/DUK (2021): Bildung für nachhaltige Entwicklung. Eine Roadmap. Paris: UNESCO.
Rex, Sascha; Smets Philip (2021): Interdisziplinäre Bildungsplanung am Beispiel des vhs-Schwerpunktsemesters BNE, in: Hessische Blätter für Volksbildung, 2021, Nr. 3, S. 56.